nzucht
Die Narren, Zwerge, Krüppelchen und Monstren umdrängelten Beardsley
unablässig, sie besaßen wie er die angeborene Rokokosexualität der gebrochenen
Linie. Um es präziser zu sagen - er führte eine exzentrische Ehe mit sich selbst.
Dieser äußersten Inzucht entsprangen Kinder, wie sie anders kaum zu erwarten
waren. Kinder eines Gnostikers, dem Sünde und Tugend ineinanderflossen. Deformierte
Ausgeburten nd langgliedrig überzüchtete Traum-Aristokraten, alpdrückende Krötenmenschen,
pervertierte Märchenprinzessen, spitzflügelige Teufelsengelchen mit Halbmasken,
hängenden Ziegenzitzen und bockswolligen Schenkeln . .. Seine Grazie, unablässig
kokettierend mit den Kontrasten durchteufelt und engelblütenrein, fratzenhaft
und puppenschön, weiß sich im Besitz aller blasphemischen schwarzmagischen und
sakralen Salbentöpfchen der Satanisten. - Eugen Skasa-Weiß, nach: Wieland Schmied, Zweihundert Jahre
phantastische Malerei. München 1980
Inzucht
(2) SCHUBERT Auf Ihr Wohl, Kaiser. Der Alkohol
trennt gleich einem scharfen Skalpell die zarte Verbindung zwischen Geist und
Körper. Die Physis verschwindet im Meer der Unempfindlichkeit.
KAISER Wo
waren wir? Ja, beim geöffneten Schädel. Nun, die zarte Hirnhaut am vorderen
Teil des Sichelfortsatzes wird mit dem Messer aufgeschlitzt. Der Schnitt wird
sodann bis zum hinteren Ende fortgeführt und auf die gleiche Weise auf der anderen
Seite vollzogen. Die gelösten Blätter, die Blätter der Hirnhaut werden umgeschlagen
und die Menge und Beschaffenheit der aus dem Arachnoidensack fließenden Flüssigkeit
geprüft. Die frischen und alten Hämorraghien, hämorraghischen Säcke und eventuell
vorhandenen pathologischen Produkte werden in bereitstehenden Gefäßen aufbewahrt.
SCHUBERT
Hinaus mit der Krankheit, mit den faulen, krankhaften Produkten
aus der leblosen Hülle, hinein in die Galerie der Pathologie. Wir müssen endlich
soweit kommen, daß wir einzig und allein den menschlichen Körper als Objekt
der Kunst anerkennen. Die einzig wahre Kunst ist die Kunst der Pathologie. Der
Mensch als Betrachter betrachtet sich als Objekt der Betrachtung.
KAISER
Ein guter, aber inzüchtiger Gedanke, lieber Schubert.
SCHUBERT
Sehr wohl, es lebe die Inzucht des Menschen. Das Denken, das Fühlen,
das Sprechen, alles Produkte menschlicher Inzucht. - Helmut Eisendle, Obduktion. In: H.E., Die Gaunersprache der Intellektuellen.
Frankfurt am Main 1986
Inzucht (3)
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