Inszenierung Am Anfang der wortkargen Beziehung zwischen den Müllarbeitern und mir hatten sonderbare gegenseitige Inszenierungen stattgefunden. Einmal war mir am Eingang ihres Gehäuses eine Art Torwächter aufgestellt worden: eine nackte Schaufensterpuppe, die sich auf einen Stock stützte, der auch ein Schwert sein konnte; ihr Gesicht hatte man mit einer schrecklichen indianischen Kriegsbemalung verziert. Daraufhin stellte ich eine zweite Figur daneben, der ich in die rechte Hand einen Kugelschreiber drückte; den Kopf der ersten Puppe drehte ich nach der zweiten um, reinigte ihr Gesicht von der Bemalung, so daß es aussah, als seien die beiden miteinander in Kommunikation getreten. Wieder einen Tag später hatten sie meine Figur, die zweite Puppe, umgedreht und mit der Stirn an die Wand gestützt, den Kugelschreiber hatten sie ihren Fingern entnommen und ihn zwischen die Gesäßbacken der leicht gespreizten Beine gesteckt, wo er zu zwei Dritteln auf ziemlich obszöne Weise hervorragte; das Gesicht der anderen Puppe war wieder in die Ferne gewandt, ein Arm war angehoben und ausgestreckt worden: der Wächter wies aus dem Gelände hinaus, er zeigte furchterregend nach Osten, zum Wald hin . . .- Wolfgang Hilbig, Die Kunde von den Bäumen. Frankfurt am Main 1994

Inszenierung (2) Für diese letzte Handanlegung, für diese letzte und entscheidende Feinheit, wie auch dafür, sich unbehelligt in Sicherheit zu bringen, blieb noch viel Zeit: bis zur nächsten Runde des Nachtwächters noch gute zehn Minuten, und was tut man nicht alles in zehn Minuten!

Um genau zu sein, der Tote hielt die Mordwaffe schon in Händen: was Teil der überaus umsichtigen Vorkehrungen war, weiß man doch nie, ob diese hochnäsigen Kriminalpolizisten nicht schon bei der geringsten Abweichung von der Schußrichtung auf irgendwelche Vermutungen kommen könnten. Also hatte der Mörder, der von hinten gekommen war, das Opfer zunächst betäubt und sodann gezwungen, sich mit seinen eigenen zusammengefügten Händen selbst in den Mund zu schießen. Da der Ermordete jedoch in seinen Todeszuckungen nach hinten gesunken war und die Arme ausgebreitet und verdreht hatte, war der Revolver zufällig in der einen Hand geblieben, genau gesagt in der rechten, was vielleicht in Anbetracht der Schußrichtung nicht genau stimmte; zudem befand sie sich in einer unnatürlichen und erzwungenen Stellung, ist es doch eine Sache, etwas aus freiem Willen und eine ganz andere Sache, dasselbe halb oder ganz unbewußt und unter dem Zwang fremder Hände zu vollbringen. Nun, Hand und Richtung zu verifizieren, würde nicht schwierig sein. Man könnte ja auch die Leiche wieder in die genaue Position bringen, die der lebende Körper im Augenblick des Mordes-Selbstmordes eingenommen hatte. Aber diese Möglichkeit wurde vom Mörder sofort verworfen: er wußte alles über ihn, wußte alles über das Hinscheiden und folglich auch, wie unsicher und gewagt, ungeachtet aller Gewissenhaftigkeit, derartige Rekonstruktionen (oder Rückverformungen) sind, bei denen, wer weiß warum, immer irgend etwas nicht in Ordnung ist. Nein, die Leiche mußte genau bleiben, wo und wie sie war, und er hatte lediglich die richtige Hand zu bestimmen und die Richtung der Waffe um eine Winzigkeit zu korrigieren. Was, wie bereits gesagt, nicht schwierig war: also ans Werk!  - Tommaso Landolfi, Abwärts. Nach (land)

Inszenierung (3)

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