nstabilität Liebe süße gnädige Frau,
ich muß leider unsere Verabredung für morgen absagen, so leid es mir
tut. 1) muß ich arbeiten, wieder für neues Radio 2) bin ich zu mieser Stimmung,
um zu reden. Bin heute wieder von der Steuer mit Pfändung bedroht, wenn ich
nicht sofort 500 M. zahle. Die Leute sind irre, der Staat muß zertrümmert werden.
Die freien Berufe, die kein festes Einkommen, keine Pension, keine Ferien
und keine Bürostunden nach der Uhr kennen, die müssen wieder ran, den verkrachten
u. verlumpten Staat zu finanzieren. Nein, da bleibt einem die Spucke weg u.
da vergeht einem die Laune. Ich rufe Sie an, sowie ich
wieder etwas stabiler bin. - Gottfried Benn
an Thea Sternheim, 18. August 1931. In: G.B., Das gezeichnete Ich. Briefe aus
den Jahren 1900-1956. München 1962 (dtv 89)
Instabilität (2)
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