Inschrift   Maupassant bemerkte "eine Inschrift über der Tür, die ich bei der ersten Gelegenheit nicht las" - hätte er das getan, hätte er ahnen können, was ihn erwartete. Überall waren Bilder, einige "glänzend", andere eher wie "Phantasien eines Verrückten". Powell war kurz und fett, Swinburne kurz und dünn. "mit einem fleckigen Gesicht, einer Wasserkopf-Stirn und einer Hühnerbrust; ein Zittern quälte ihn, das seine Brille einen Veitstanz veranstalten ließ, und er redete zunehmend irre". Hier und da lagen Knochen herum;  eine enthäutete Hand, vermutlich die eines Mörders, bot sich als Boheme-Äquivalent für einen Gesprächssthema dar. Es gab einen  großen, lautstarken Affen als Schoßtier, von Powell gekitzelt, der versuchte, Maupassants Kopf in das Glas zu drücken, aus dem er zu trinken versuchte. Das Mittagessen bestand aus etwas, das Franzosen für eine Art "Fisch" hielten; als er nach dessen Namen fragte, antwortete der Gastgeber "mit einem eigentümlichen Lächeln, es sei Fleisch, und mehr konnte ich nicht aus ihm herauskriegen".

Die Tatsache, daß Hochprozentiges genauso wie Wein mit dem Mittagessen serviert wurden, kam dem jungen Franzosen merkwürdig vor - aber vielleicht war das nicht wirklich überraschend. Viele Briten, die Frankreich damals anzog (nicht nur Schriftstelller und Künstler, sondern auch Bankrotteure, flüchtige Betrüger und falsche Priester, neben respektablen Leuten, die von ihren Pensionen besser leben konnten als in England) waren überrascht vom niedrigen Preis der französischen Spirituosen, was sie natürlich auch schneller betrunken machte.

Nach dem Mittagessen brachten die beiden Engländer einige große Mappen und zeigten dem jungen Guy - vielleicht ein ungeschickter Vorbereitungsversuch - pornographische Fotos aus Deutschland, alle von Männern. "Ich erinnere mich an an eines von einem englischen Soldaten, der an eine Fensterscheibe masturbierte". Powell wurde mit der Zeit sehr betrunken, er lutschte dauernd an den Fingern der Knochenhand (die offensichtlich als Briefbeschwerer benutzt wurde). Ein junger Diener trat ein, und die Mappe wurde schnell geschlossen. In dieser exotischen und gespenstischen Umgebung schritt die Konversation auf höchstem kulturellem Niveau voran. Swinburne, der seine erste Serie von Gedichten und Balladen veröffentlicht hatte und in seinem Lande bereits allseits bekannt war, zeigte eine "immense Bildung". Er übersetzte einige seiner Gedichte für Maupassant ins Französische und war enthusiasmiert von Victor Hugo (erschrieb den Eintrag Victor Hugo in der Encyclopedia Britannica). Powell seinerseits war in Island gewesen und hatte eine Menge alter Lieder und Legenden mitgebracht, die er auch übersetzt hatte. Die beiden Männer beeindruckten Maupassant als "einzigartig originell, bemerkenswert und bizarr", zwei halluzinatorische Visionäre in derTradition Poes und E. T. A. Hoffmanns. "Wenn Genie", so sagte er, "wie die Leute sagen, eine Art Delirium der höheren Intelligenz ist, dann ist Algernon Charles Swinburne gewiß ein Genie".

Maupassant akzeptierte ein paar Tage später eine zweite Einladung zum Mittagessen. Diese verlief friedlicher, da der zudringliche Affe jetzt tot war, der junge Diener hatte ihn an einem Baum aufgehängt. Powell  hatte einen riesigen Granitblock zu seinem Grabstein bestellt. Am Ende der Mahlzeit gaben die beiden Visonäre dem Franzosen einen Likör, der den jungen Franzosen fast zu Boden schlug; er floh zurück zu seinem Hotel. Trotzdem machte er noch noch einen letzten Besuch, bei dem er auf die Inschrift über ihrer Tür aufmerksam wurde. Sie lautete: Chaumière de Dolmancé (Dolmancés Hütte). Maupassant fragte die beiden Engländer, ob sie wüßten, wer Dolmancé war (der Held und homosexuelle Verführer in Sades Philosophie dans le Boudoir). Sie sagten, sie wüßten das. "Dann ist das das Zeichen des Hauses?" fragte Maupassant. "Ja bitte", antworteten sie, mit fürchterlichem Ausdruck auf ihren Gesichtern. Der Franzose floh ein zweites Mal und mied danach Swinburne und Powell.

Maupassant erzählt weiter  (nicht ins Englische übersetzt):

"Ja, sie lebten da zusammen, befriedigten sich mit Affen oder mit jungen Dienern, Kerlen von vierzehn oder fünfzehn Jahren, die aus England alle drei Monate an Powell gesandt wurden: kleine Diener von exquisiter Sauberkeit und Frische. Der Affe, der in Powells Bett schlief und jede Nacht hineinschiß, wurde von dem Diener gehängt, teils aus Eifersucht, teils aus Widerwille gegen das tägliche Bettwäschewechseln. Das Haus war voller seltsamer Geräusche und den Schatten des Sadismus; eines Nachts wurde Powell gesehen und gehört, wie er im Garten mit einem Revolver auf einen schwearzen Mann schoß. Die beiden waren wirklich de-Sade-Helden, die auch vor Verbrechen nicht zurückschreckten. Dann war dieses Haus voller lebendiger Geheimnisse plötzlich still und leer. Powell war verschwunden und niemand wußte wie. Keine Kutsche war für ihn gerufen worden, und niemand hat ihn auf den Straßen gesehen." - Maupassant, Public Domain Review

 

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