Ingenieursneugier   ›Wenn ich wüßte, wozu die Maschine wirklich dient, könnte ich Sie vielleicht besser beraten.‹

Kaum hatte ich's gesagt, da bereute ich schon meine Unbesonnenheit. Sein Gesicht wurde hart, seine Augen funkelten drohend.

›Na schön,‹ sagte er, ›Sie sollen's ganz genau wissen!‹ Er trat einen Schritt zurück, schlug die kleine Tür zu und drehte den Schlüssel um. Ich rüttelte an der Klinke und trat und drückte, aber ohne jeden Erfolg. >He!‹ schrie ich. ›Holla! He! Colonel! Lassen Sie mich 'raus!‹

In der Stille hörte ich plötzlich das Geräusch. Ich werd's nie im Leben vergessen. Langsam ging's los: das Rasseln der Hebel, das Zischen des lecken Zylinders. Er hatte die Maschine in Gang gesetzt! Die Lampe stand noch auf dem Boden, wo ich sie hingestellt hatte, als ich den Trog untersuchte. In ihrem Licht sah ich, daß die schwarze Decke auf mich herunterkam, langsam, ruckweise, aber mit einer Gewalt — wer wüßte das besser als ich —, die mich in einer Minute zu einem formlosen Brei zerquetschen würde. Schreiend warf ich mich gegen die Tür, kratzte mit den Nägeln am Schloß. Ich flehte den Colonel an, mich 'rauszulassen, aber das Rattern des unbarmherzigen Apparats übertönte mein Schreien. Die Decke war nur noch ein oder zwei Fuß über meinem Kopf, und ich konnte mit ausgestreckter Hand ihre harte, grobe Oberfläche fühlen. Da fuhr mir blitzartig durch den Sinn, daß der Todesschmerz von der Lage meines Körpers abhängen würde. Wenn ich mich aufs Gesicht legte, traf die Decke mein Rückgrat, und ich erschauderte bei dem Gedanken an das ekelhafte Knacken. Vielleicht war's andersrum leichter? Aber würde ich's fertigbringen, mich auf den Rücken zu legen und zuzusehen, wie sich der tödliche schwarze Schatten auf mich niedersenkte? Ich könnt' schon nicht mehr aufrecht stehen — da sah ich etwas.

Ich hab' schon erzählt, daß Boden und Decke aus Eisen bestanden, die Wände jedoch aus Holz. Und als ich mich noch einmal in höchster Verzweiflung umschaute, sah ich einen schmalen gelben Lichtstreifen zwischen zwei Brettern. Er wurde breiter und breiter: eine Öffnung zeigte sich. Eine Sekunde lang konnte ich gar nicht glauben, daß sich da ein Ausweg bot. Im nächsten Augenblick kroch ich wie irre durch das Loch und lag halb bewußtlos auf der anderen Seite. Dann kam das Knacken und Krachen der Lampe. Dann quietschte sie jämmerlich ...  - Sir Arthur Conan Doyle, Der Daumen des Ingenieurs. In: C. D., Sherlock Holmes und der verschwundene Bräutigam. Berlin, Frankfurt am Main 1987

Ingenieur Neugier

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

Verwandte Begriffe
Synonyme