Illumination    «Menschen ist es tatsächlich möglich, die richtigen Methoden vorausgesetzt, sich selbst in ein empfindungsfähiges Gitterwerk reiner Energie zu übersetzen, das mehr oder weniger permanent sein kann. Den Prozeß nennt man transzendentale Illumination, im Unterschied zur Erlangung der Einsicht m die wahre Natur des Menschen und des Universums, was man als gewöhnliche Illumination bezeichnet. Ich bin durch transzendentale Illumination hindurchgegangen und bin ein Wesen, das aus nichts anderem als Energie zusammengesetzt ist. Aber das hast du längst selbst vermutet. Jedoch geschieht es häufig, daß, bevor jemand zu einem Energiefeld wird, er in frevelhafte Selbstüberhebung verfällt. Ihre Taten verursachen anderen Schmerz und machen sie unsensibel, unkreativ und irrational. Die zuverlässigste Methode zur Erlangung transzendentaler Illumination ist die Massenopferung von Menschen. Natürlich lassen sich Menschenopfer leicht als andere Dinge kaschieren, wie etwa Krieg, Hungersnot oder Pest. Die Vision der Vier Reiter, die dem heiligen Johannes gnädig gewährt wurde, ist eigentlich nichts anderes als eine Vision von transzendentaler Massenillumination.»

«Wie hast du sie erlangt?» fragte Joe.

«Ich war Zeuge des Massakers an den männlichen Einwohnern der Stadt Melos durch die Athener, 416 vor Christus. Hast du Thucydides gelesen ?»

«Das ist schon lange her», sagte Joe.

«Nun, so wie Thucydides es schilderte, war es falsch. Er schilderte das als einen der abscheulichsten Vorgänge, die man sich vorstellen kann; es gab jedoch mildernde Umstände. Die Melianer hatten Athener Soldaten hinterrücks erdolcht, vergiftet oder aus dem Hinterhalt mit Pfeilen überschüttet. Es gab welche, die arbeiteten für Sparta, andere standen auf der Seite Athens, doch wußten die Athener nicht, wem sie trauen konnten und wem nicht. Sie wollten auf der einen Seite nicht unnötig morden, auf der anderen Seite wollten sie jedoch heil nach Athen zurück. So- trieben sie eines Tages alle Männer von Melos zusammen und erledigten sie auf dem Marktplatz. Frauen und Kinder wurden als Sklaven verkauft.»

«Was hast du dabei getan?» sagte Joe. «Warst du auf der Seite der Athener?»

«Ja, doch beteiligte ich mich nicht an dem Gemetzel. Ich war als Ka-plan dabei. Natürlich von den Erisiern ernannt. Doch war ich vorbereitet, Gottesdienste zu Ehren von Hermes, Dionysos, Herakles, Aphrodite, Athena, Hera und einigen anderen Olympiern abzuhalten. Vor Entsetzen verlor ich fast die Sinne- ich konnte nicht verstehen, daß Pangenitor Panphage ist. Ich betete zu Eris, sie möge mich erlösen oder die Melianer erlösen oder irgend etwas anderes tun, und sie antwortete mir.»

«Heil ihr, die alles gerichtet», sagte Simon.

«Ich glaube dir fast aufs Wort», sagte Joe, «aber ab und zu kriecht ein Mißtrauen in mir hoch, daß du nichts anderes als eine Zweitau-send-Jahre-alter-Mann-Routine durchziehst und icb das Ziel des Spotts abgebe.»

Malaclypse stand lächelnd auf. «Komm mal einen Schritt näher, Joe.»

«Wozu?»

«Komm einfach mal her.» Malaclypse hielt die Arme ausgebreitet, die Handflächen auffordernd Joe zugewandt. Joe ging zu ihm rüber und blieb vor ihm stehen.

«Führe deine Hand in meine Seite», sagte Malaclypse.

«Mann, nun hör aber auf», sagte Joe. Pederastia kicherte vor sich hin. Malaclypse schaute ihn geradewegs an und lächelte aufmunternd. Also streckte Joe seine Hand aus, um Malaclypses Hemd zu berühren. Seine Hände spürten nichts. Er schloß die Augen, um sicherzugehen. Keinerlei Sensation, irgend etwas zu berühren. Dünne Luft. Mit immer noch geschlossenen Augen führte er seine Hand weiter vorwärts. Er öffnete die Augen, und als er seinen Arm bis zum Ellbogen in Malaclypses Körper versunken sah, brach er vor Entsetzen fast zusammen.  - (ill2)

Erleuchtung

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