Hypnotiseur  Sie sei sicher, daß dieser junge Bursche ... ja, der Mörder halt, der Mechaniker ... sie war sicher, hätte es auch vor Gericht schwören können, war sicher, daß dieser Kerl sie hypnotisiert hatte (Don Ciccio hörte mit offenem Munde zu, wie ein Schlafender, dem das Maul offensteht), denn er hatte sie, noch in der Diele draußen, starr angeschaut: »Fixiert«, wiederholte sie fast deklamierend, begeistert von der Dauer und der Festigkeit dieses Blickes: »es war ein erbarmungsloser Blick aus starren Augen«, unter der Mütze hervor »wie eine Schlange.« Und sie hatte dabei genau gespürt, wie ihre Kräfte sie verließen. Sie sagte sogar, daß sie in diesem Moment, was immer der Bursche von ihr verlangt oder gefordert, in diesem Moment, getan, ihm ohne weiteres gehorcht hätte - »wie eine Gliederpuppe« (so sagte sie). »Heilige Muttergottes, er hat mich hypnotisiert . . .« Don Ciccio, in seinem Innern, konnte nicht umhin, auszurufen: »Diese Weibsbilder!«

So war's gekommen, daß der Mensch da, der Mechaniker, die Runde durch die ganze Wohnung gemacht hatte. Im Schlafzimmer, wo er einige Goldgegenstände auf der Kommode eräugt hatte, auf der Marmorplatte, hatte er nur einen einzigen Handgriff getan, während er mit der anderen unterwärts die Tasche, die er in seinem Monteuranzug hatte, wie einen Eimer weit aufhielt. »Was machen Sie denn da?« hatte die Menegazzi gegackert, von ihrem hypnotischen Zustand doch nicht ganz gelähmt. Er, indem er sich rumdrehte, hatte ihr eine Pistole vors Gesicht gehalten:  »Halt's Maul, alte Hexe, sonst verbrenn ich dich!   - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana. München 1988

Hypnotiseur (2)  In einem ziemlich guten Bordell an der Calle de la Reina gingen damals auch zwei besonders reizende Mädchen ihrem Gewerbe nach. Die -eine nannte sich Lola Madrid, die andere Teresita.

Teresita hatte einen Verehrer, Pepe, einen robusten und sympathischen Basken, der Medizin studierte. Eines Abends, als ich bei der pena der Medizinstudenten im Cafe Fornos sitze, Galle Alcalá, Ecke Peligros, kommt jemand rein und berichtet von einem kleinen Drama, das sich eben in der Casa de Leonór, so hieß das Bordell, abgespielt hatte. Pepe, der überhaupt nichts dagegen hatte, wenn Teresita ihn mal kurz verließ und zwischendurch einen Kunden bediente, hatte erfahren, daß sie mit jemandem ohne Bezahlung geschlafen hatte. Das konnte er nicht ertragen. In seiner Wut hatte er die flatterhafte Teresita verprügelt.

Sofort ziehen die Medizinstudenten zur Casa de Leonór. Ich mit ihnen. Teresita ist in Tränen aufgelöst und kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Ich schaue ihr in die Augen, rede ihr gut zu, nehme ihre Hände. Ich sage, sie soll sich beruhigen und etwas schlafen, was sie sofort auch tut. Sie befindet sich in einer Art somnambulen Zustands, hört nur auf mich, reagiert nur auf mich. Ich rede auf sie ein, sie beruhigt sich langsam und kommt wieder zu sich - da erfahre ich etwas Unerhörtes: Eine gewisse Rafaela, die Schwester der Lola Madrid, die als Küchenhilfe beschäftigt wird, sei während der Arbeit plötzlich eingeschlafen, genau in dem Moment, in dem ich Teresita hypnotisierte.

Ich gehe in die Küche, und da sehe ich tatsächlich ein schlafwandelndes Mädchen. Sie ist klein, ziemlich unansehnlich und halbblind. Ich setzte mich ihr gegenüber, mache ein paar Handbewegungen, rede ruhig mit ihr und wecke sie auf.

Rafaela war wirklich ein ungewöhnlicher Fall. Einmal bekam sie einen Anfall, als ich nur draußen auf der Straße an dem Bordell vorbeiging. Ich versichere, daß das stimmt, ich habe es auf jede nur mögliche Weise verifiziert. Ich habe eine Reihe von Experimenten mit ihr gemacht. Einmal habe ich sie sogar von einer Harnretention geheilt, indem ich ihr sanft über den Bauch strich und dabei auf sie einredete.  - Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am Main 1985

Hypnotiseur (3)
 

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