undetod   Zwölf Uhr. Mittagszeit.

Ein Hund jaulte und wartete zitternd auf der vorderen Veranda.

Die Haustür erkannte die Stimme des Hundes und öffnete sich. Der Hund, einst groß und massig, doch jetzt zum Skelett abgemagert und mit zahlreichen Wunden bedeckt, trottete durchs Haus und hinterließ in allen Räumen eine breite Schmutzspur. Hinter ihm wurde das ärgerliche Surren der Mäuse laut — ärgerlich über den Schmutz, den sie wegzuschaffen hatten, ärgerlich über die Störung.

Kein Blattfetzen wehte unter der Tür hindurch, ohne daß sich Wandklappen öffneten und die metallenen Ratten blitzschnell herausfuhren. Das beleidigende Stück — ein Staubkorn, ein Haar oder ein Stück Papier — wurde von winzigen stählernen Kiefern ergriffen und in Windeseile in die Höhlen geschafft. Dort wurde es in ein Röhrensystem gestopft, das in den Keller und dort zu einem Verbrenner führte, der wie der böse Baal persönlich in einer dunklen Ecke hockte.

Der Hund rannte nach oben, bellte hysterisch vor jeder Tür und erkannte schließlich, was auch das Haus schon erkannt hatte — daß niemand anwesend war außer der Stille.

Das Tier schnüffelte herum und kratzte an der Küchentür. Hinter der Tür machte der Herd gerade Eierkuchen, die das Haus mit herrlichem Duft erfüllten, einem Duft nach Gebackenem und nach Ahornsirüp.

Speichel rann aus dem Maul des Hundes, und mit glühenden Augen lag er vor der Tür und schnüffelte. Dann rannte er wie wild im Kreis und versuchte, sich in den Schwanz zu beißen, jagte immer schneller herum, Schaum stand ihm vor dem Maul, er winselte — und starb. Eine Stunde lang blieb er im Flur liegen.

Zwei Uhr, sang eine Stimme.

Die empfindlichen Geruchsorgane der Mäuseregimenter registrierten endlich die einsetzende Verwesung und summten leise wie graue Blätter in einem elektrischen Wind.

Zwei Uhr fünfzehn.

Der Hund war verschwunden.

Im Keller glühte der Verbrenner plötzlich auf, und der Schornstein sprühte Funken.  - Ray Bradbury, Die Mars-Chroniken. München 1974 (Heyne 3410, zuerst 1950)

Hundetod (2)   Dem Jungen gefiel mein erstaunter Gesichtsausdruck. Er erzählte mir, er habe einen Hund namens Careca gehabt, wie der brasilianische Stürmer, der mit dem Fußballclub Napoli die italienische Meisterschaft gewonnen hatte. Dieser Hund ging häufig auf den Treppenabsatz vor der Wohnung hinaus. Eines Tages fing er an, an der gegenüberliegenden Tür zu kratzen, weil er roch, daß dahinter jemand war, obwohl niemand dort wohnte. Nach wenigen Sekunden durchlöcherte eine Salve aus einer Maschinenpistole die Tür und traf den Hund. Pikachu untermalte seine Erzählung mit der Nachahmung der Geräusche.

»Trrtrrtrr ... Careca war sofort tot ... und die Tür, pam ... sprang auf, ganz plötzlich.«

Pikachu setzte sich nahe einer niedrigen Mauer auf seinen Hintern, stemmte die Füße gegen die Mauer und tat so, als hielte er in der Hand eine Maschinenpistole. Damit zeigte er mir, wie der Camorrist sich verhielt, der seinen Hund erschossen hatte. Der Posten, der immer hinter der Tür Wache hält. Sitzend, mit einem Kissen im Rücken, die Füße rechts und links von der Tür. Diese unbequeme Haltung soll daran hindern einzuschlafen, und vor allem trifft man, von unten nach oben schießend, unfehlbar jeden, der sich der Tür nähert, ohne selbst getroffen zu werden. Pikachu erzählte mir, daß diejenigen, die den Hund erschossen hatten, als Entschuldigung seiner Familie Geld gaben und ihn in die Wohnung einluden. In die Wohnung, in der ein ganzer Trupp versteckt war. Er erinnerte sich an alles, an die leeren Zimmer, in denen nur Betten standen, ein Tisch und ein Fernseher. - Roberto Saviano, Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra. München 2006

Hundetod (2)  Leone ist tot. Er wurde von einer Trambahn überfahren, die nicht einmal elektrisch, sondern von Mauleseln gezogen war. Ich war sehr traurig. Er hatte noch die Kraft, die Fahrbahn zu überqueren, auf den Vorderbeinen dahinrutschend, die Hinterbeine waren fast völlig abgetrennt. Er begriff nicht, was mit ihm geschehen war. Ich streichelte seinen braven Kopf, er leckte mir die Hände, er zuckte zusammen und reckte sich ein letztes Mal auf, und aus seinem Hintern rann ein schwammiger Kot und aus seiner Schnauze ein Blutgerinnsel. Armes Tier! Mein Hund war zu fröhlich, zu ausgelassen.  -  (cend)
 
 

Hundeleben

 

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