H  olzdiät  Ich erstand auch eine Kommode - eine große, mit Perlmutter und Silber eingelegt - ein Möbelstück, das seinen Besitzer stets an ein Märchenland erinnert. Der Dolmetscher, der mich begleitete, hielt nicht viel davon.
«Keine gute Ware, das», meinte er. «Sehr alt - fünfzig Jahre alt, sechzig Jahre alt, vielleicht noch älter. Altmodisch, Sie verstehen. Sehr altmodisch. Nicht neu.»

Ich könne selbst sehen, daß die Kommode nicht neu sei, erwiderte ich, und daß es nicht mehr viele von der Sorte gäbe. Vielleicht würden sie nie wieder hergestellt werden.

 «Nein. Niemand das machen jetzt. Sie kommen und anschauen diesen Kasten. Sie sehen? Sehr gut. Und diesen hier. Hier, diese Kommode. Sie sehen? Viele Holzarten drin. Sie sehen, wie viele verschiedene Holzarten? Fünfundaditzig verschiedene Holzarten.» Ich fand sie scheußlich. Ich wollte meine Perlmutter-, Elfenbein-und Silberkommode haben.

Sorgen machte mir, wie ich das Ding nach England bekommen sollte - doch scheinbar gab es da keine Schwierigkeiten. Der Agent von Cooks reichte mich an einen anderen weiter, dieser brachte midi zu einer Speditionsfirma, wo verschiedene Dispositionen getroffen und Berechnungen vorgenommen wurden - mit dem Resultat, daß neun oder zehn Monate später eine fast schon vergessene Perlmutter- und Silberkommode bei mir in Süddevon auftauchte.

Aber das war noch nicht das Ende der Geschichte. Das gute Stück war zwar prächtig anzusehen, erzeugte aber in der Nacht ein seltsames Geräusch, so als ob große Zähne an etwas knabberten. Irgendein Geschöpf fraß meine schöne Kommode auf. Ich nahm die Schubladen heraus und untersuchte sie. Keine Zeichen von Löchern oder Zahnspuren. Trotzdem hörte ich Nacht für Nacht, sobald die Geisterstunde schlug, das schon vertraute «Knack, knack, knack».

Schließlich brachte ich eine Schublade zu einer Firma in London, die sich auf die Bekämpfung tropischer Holzschädlinge spezialisierte. Sie sahen sofort, daß sich etwas Böses in den Tiefen des Holzes abspielte! Um der Sache auf den Grund zu gehen, war es allerdings nötig, die halbe Kommode auseinanderzunehmen, was nicht geringe Auslagen verursachen würde. Genauer gesagt, würde es dreimal so viel kosten, wie ich für die Kommode, und zweimal so viel, wie ich für den Transport nach England bezahlt hatte. Aber ich konnte das gespenstische Knarren und Knacken nicht länger ertragen.

Etwa drei Wochen später läutete das Telefon, und eine aufgeregte Stimme meldete sich: «Können Sie zu uns kommen, Madam, ich möchte Ihnen wirklich gerne zeigen, was wir gefunden haben.» Ich eilte unverzüglich hin. Stolz zeigte man mir eine widerliche Kreuzung aus Larve und Wurm. Das Ding war groß und weiß und scheußlich. Seine Holzdiät hatte ihm offenbar so gut gemundet, daß es ungewöhnlich dick und fett geworden war.  - Agatha Christie, Meine gute alte Zeit. Autobiographie.  Bern München Wien ca. 1977

 

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