oheit  Wir rauchten lange einige an Geschmack und Wohlgeruch unvergleichliche Zigarren, die in der Seele das Heimweh nach unbekannten Ländern und Glückseligkeiten erweckten, und, berauscht von all diesen Wonnen, wagte ich es, in einem Anfall von Vertraulichkeit, der ihm nicht zu mißfallen schien, eine bis zum Rand gefüllte Schale zu erheben und auszurufen: »Auf Ihre unsterbliche Gesundheit, alter Bock!«

Wir sprachen auch von der Welt, ihrer Erschaffung und zukünftigen Zerstörung; von den großen Gedanken des Jahrhunderts, nämlich von Fortschritt und Vervollkommnung und überhaupt von allen Formen der menschlichen Eitelkeit. Seine Hoheit war unerschöpflich in leichten und unwiderleglichen Scherzen gerade über diesen Gegenstand und drückte sich mit solcher sprachlichen Anmut und so drolliger Ruhe aus, wie ich es bei keinem der berühmtesten Plauderer der Menschheit gefunden habe. Sie erklärte mir die Widersinnigkeit der verschiedenen philosophischen Lehren, die bis zur Gegenwart vom menschlichen Gehirn Besitz ergriffen hatten und geruhte sogar mir einige wichtige Grundsätze anzuvertrauen, deren Besitz und Vorteile mit irgend jemandem zu teilen ich nicht willens bin, wer immer es auch sei. Sie beklagte sich auf keine Weise über den schlechten Ruf, den sie überall in der Welt genießt, versicherte mir, daß sie, ja sie, die Persönlichkeit sei, der am meisten an der Zerstörung des Aberglaubens gelegen sei, und gestand mir, daß sie, soweit ihre eigene Macht in Frage kam, nur ein einziges Mal besorgt gewesen wäre, und zwar an dem Tage, an dem sie hörte, daß ein Prediger, schlauer als seine Mitbrüder, auf der Kanzel ausgerufen hätte: »Liebe Brüder, vergeßt es niemals, wenn ihr den Fortschritt der Aufklärung rühmen hört: die schönste List des Teufels ist es, euch zu überreden, daß er gar nicht existiert!«

Die Erinnerung an diesen berühmten Redner brachte uns natürlich dazu, von den Akademien zu sprechen, und mein seltsamer Tischgenosse versicherte mir, daß er, in vielen Fällen, es nicht verschmähe, der Feder, dem Wort und dem Gewissen der Jugenderzieher seine Offenbarungen einzublasen und daß er fast immer höchst persönlich, wenn auch unsichtbar, allen akademischen Sitzungen beiwohne. Ermutigt von soviel Güte fragte ich ihn, wie es dem lieben Gott ginge und ob er ihn kürzlich gesehen hätte. Er antwortete mir mit einer Unbekümmertheit, in die sich eine gewisse Traurigkeit mischte. »Wir grüßen uns, wenn wir uns begegnen, aber wie zwei alte Edelleute, bei denen eine angeborene Höflichkeit doch die Erinnerung an alten Groll nicht ganz auszulöschen vermag.«  - Charles Baudelaire, Der Spleen von Paris. In: C. B., Die Tänzerin Fanfarlo und Der Spleen von Paris. Zürich  1977 (detebe 20387)

 

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