örrohr  Ich hob das Rohr an das andere Ohr. »Sie wäre besser tot«, sagte Robert. »In diesem Alter geht's den Menschen besser, wenn sie tot sind.«

Als ich in meinem wollenen Nachthemd wieder im Bett war, zitterte ich vor Schüttelfrost, der zu jemandem anderem zu gehören schien. Der erste grausame, immer wiederkehrende Gedanke war: »Die Katzen, was wird aus den Katzen?« Danach: »Carmella, was wird aus den Montagmorgen bei Carmella, und die rote Henne, weshalb glauben sie, man sei tot besser daran ? Wie können sie das überhaupt wissen? Und, o liebe Venus (ich bete immer zur Venus, sie ist ein so strahlender und leicht erkennbarer Stern), was ist die >Bruderschaft der Quelle des Lichts<? Das klingt ja schlimmer als der Tod selbst, eine Bruderschaft, die genau weiß, was das Beste für andere Menschen ist und den eisernen Willen hat, sie zu bessern, mögen sie es nun wollen oder nicht. O Venus, was habe ich nur getan, um das zu verdienen! - Und was wird aus den Katzen, was wird aus Marmien und Tcha-Tcha ? Nie werde ich ihre Wolle zu einer Jacke spinnen können, die meine fröstelnden Glieder wärmt, nie werde ich Katzenwolle tragen, statt dessen wahrscheinlich eine Uniform - keine rote Henne legt täglich ein Ei auf mein Bett.«

Von diesen schrecklichen Visionen und Gedanken hin- und hergerissen, sank ich schließlich in etwas, was eher völlige Erstarrung als Schlaf war. Selbstverständlich suchte ich am nächsten Morgen Carmella auf, um ihr die Schreckensnachricht zu überbringen. Ich hatte mein Hörrohr dabei, da ich auf einen guten Rat hoffte.

»Manchmal«, sagte Carmella, »bin ich hellsichtig. Als ich auf dem Flohmarkt das Hörrohr sah, sagte ich mir, das ist genau das Richtige für Marian. Ich mußte es sofort kaufen, es war eine Vorahnung. Diese Nachricht ist schrecklich, ich muß nachdenken und versuchen, einen Plan zu entwerfen.«

»Was hältst du von der ›Bruderschaft der Quelle des Lichts‹?« fragte ich. »Sie macht mir Angst.«

»Die ›Bruderschaft der Quelle des Lichts‹ ist offensichtlich eine äußerst finstere Angelegenheit. Vielleicht nicht unbedingt eine Firma, in der alte Damen zu Frühstücksflocken vermählen werden, aber wohl etwas moralisch Anrüchiges. Der Name klingt fürchterlich. Ich muß mir unbedingt etwas ausdenken, das dich aus den Klauen der ›Quelle des Lichts‹ rettet.« Dies schien sie ohne erkennbaren Grund zu amüsieren, denn sie kicherte, obwohl ich sehen konnte, wie sehr aufgeregt sie war.

»Sie werden mir wohl nicht erlauben, die Katzen mitzunehmen ?«

»Keine Katzen«, sagte Carmella. »Institutionen dürfen überhaupt nichts lieben. Dazu haben sie keine Zeit.«

»Was soll ich nur tun?« sagte ich. »Es wäre doch schade, Selbstmord zu verüben, nachdem ich zweiundneunzig Jahre gelebt und in Wirklichkeit noch überhaupt nichts begriffen habe.«   - (hoer)