Höhlentier  »Ich habe sagen hören, in den Wäldern solls Tiere geben, die man weder im Himmel noch auf Erden je gese­hen hat.«

»Was sind das für Tiere?«

»Ich hab sie noch nie nicht gesehen, doch wenn Scheiße da ist, werden auch sie nicht weit sein.«

Millemosche, Pannocchia und Carestia sammeln diese großen blonden Fladen auf und schichten sie übereinan­der, doch plötzlich hält Carestia voller Entsetzen inne. Er hat die Fußspur eines Tieres gesehen, groß und tief. Alle drei betrachten sie eingehend. Beinahe quadratisch ist sie und auf einer Seite erkennt man runde Löcher, die vielleicht von den Klauen her stammen. Sie folgen der Spur, bis sie zu einer Felswand gelangen, allwo sich eine Höhle auftut. Dieses schreckenerregende Tier haust in ihrem Inneren. Auf der Stelle macht Pannocchia den Vor­schlag zu fliehen, weit weg von hier. Wenns aber nun ein gutmütiges Tier wäre, von zartem, schmackhaftem Fleische? Millemosche sagt, je größer die Tiere, desto leichter lassen sie sich töten. Daraufhin schichten sie Holz und trockenes Gras vor die Höhle und machen ein Feuer.

»Auf diese Weise stürzt es, wenns herausläuft, in die Flammen, und wir bekommen es gleich knusprig ge­röstet.«

»Wie meinst du das?«

»Ich meine, wenns herausläuft, kanns gar nicht anders als hierher laufen, wo wir das Feuer entzündet haben.«

»Wenns nun aber ein Loch auch auf der anderen Seite gibt?«

»Höhlen haben nur vorne ein Loch.« »Ich hab aber mal eine gesehen, die hatte vorne ein Loch und eines hinten.«

»Hinten hast du vielleicht eins.«

Da sitzen sie nun und warten geduldig. Und warten und warten. Dann wird vielleicht gar kein Tier in der Höhle hausen. Und doch haust es dort, denn plötzlich schießt es heraus, brüllend, ins Feuer stampfend, und springt zwischen den Wacholdersträuchern weg mit brennender Kruppe. Der eine hat ein Auge gesehen, der andere Gehörn, wieder ein anderer nur ein Riesengewöll von langem, brennendem Felle und noch ein anderer dicke glänzende Hoden wie Birnen aus Blei. Was für ein Tier mag das sein? Millemosche und die beiden anderen stürzen ihm nach, und während sie laufen, vernehmen sie ein Klagen und Brüllen, daß Erde und Steine erbeben. Da halten sie inne und beschließen, es sei besser, von einem solchen Tiere sich fernzuhalten, weil, wer Hunger hat, immer in der Gefahr schwebt, selber gefressen zu werden.  - Luigi Malerba, Tonino Guerra: Von Dreien, die auszogen, sich den Bauch zu füllen. Berlin 1996 (zuerst 1969)

Höhle Tier, unbekanntes

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