öhlenforscher Nach unserer unbeabsichtigten Friedhofsschändung machten wir uns auf den Heimweg durch die kahlen, sonnenverbrannten Berge, auf der Suche nach irgendeiner sagenhaften Höhle. Der Wein tat weiterhin seine Wirkung und spornte uns zu Kühnheiten an, vor denen selbst Ältere zurückgeschreckt wären. Wir sprangen in tiefe und schmale Spalten, krochen auf dem Bauch in andere und gelangten zu der ersten Höhle. Unsere Ausrüstung bei der Höhlenforschung bestand aus einem Kerzenstummel, den wir auf dem Friedhof gefunden hatten. Solange er brannte, gingen wir vorwärts, aber dann war plötzlich alles wie weggeblasen: Licht, Mut, die Freude am Abenteuer. Wir spürten das Flügelschlagen von Fledermäusen. Luis sagte, das seien prähistorische Flugechsen, aber er werde uns schon verteidigen, falls sie uns angriffen. Später bekam einer von uns Hunger, und heroisch erklärte Luis sich bereit, sich verspeisen zu lassen. Er war schon damals mein Idol, und so bot ich mich unter Tränen an seiner Stelle zum Mahl an, weil ich die jüngste, zarteste und dümmste in der älteren Gruppe der Geschwister war.
Ich habe die Angst, die wir damals hatten, vergessen, wie man einen physischen
Schmerz vergißt. Aber ich erinnere mich noch sehr gut unserer Freude, als man
uns fand, und unserer Furcht vor Strafe. Wir wurden jedoch nicht bestraft, weil
unsere Situation schon jammervoll genug war. Ins „traute Heim" hat uns
ein von Nene gezogener Wagen gebracht. Mein Bruder war bewußtlos. Ich weiß nicht,
ob es der Sonnenbrand, der Schwips oder Taktik war. - Conchita
Buñuel, nach: Luis Buñuel, Mein letzter Seufzer. Berlin, Wien, Frankfurt am
Main 1985
Höhlenforscher (2) Drei Cronopien
und ein Fame tun sich als Höhlenforscher zusammen,
um die unterirdischen Quellen eines Gießbaches zu entdecken. Als sie den Eingang
der Höhle erreicht haben, steigt, von den anderen gehalten,
ein Cronopium hinab, auf dem Rücken ein Paket Stullen, wie es sie mag (mit Käse).
Die beiden Tauzieh-Cronopien oben seilen es ganz sachte ab, und der Farne schreibt
jede Kleinigkeit der Forscherreise in ein großes Heft. Bald kommt von dem Cronopium
eine erste Botschaft: es ist fuchsteufelswild, weil sie sich geirrt und ihm
Schinkenbrote mitgegeben haben. Es ruckt am Seil und verlangt, man solle es
emporziehen. Die Cronopien an der Seilwinde gehen bekümmert mit sich zu Rate,
und der Farne richtet sich zu seiner vollen, schrecklichen Größe auf und sagt:
NEIN, sagt es mit solcher Heftigkeit, daß die Cronopien das Seil fahrenlassen
und ihn eilends zu besänftigen suchen. Währenddessen kommt die nächste Botschaft,
denn das Cronopium ist ausgerechnet in die Quellwasser gefallen und teilt von
hier aus mit, daß alles schlecht geht, informiert sie unter Tränen und Schimpfworten,
daß auf den Stullen samt und sonders Schinken und unter allen Schinkenbroten
- es kann schauen, was es will - nicht ein einziges mit Käse ist. -
Julio Cortázar, Geschichten der Cronopien und Famen. In: J. C., Südliche Autobahn.
Frankfurt am Main 1998
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