Hodensack, himmlischer  Der Fürst hatte die Obo-Verehrung beendet und er ließ seine Verwandten, Frauen und Kinder, Würdenträger und Soldaten hinter sich herfolgen. Die Leute machten großes Geschrei mit »Macht Platz! Zurück da!«, als er so mächtig und furchterregend daherkam. Die Leute brachen zu Paaren auseinander und der Fürst schritt durch die Mitte der niederknienden Leute. Wie er so dahinzog, drängelte sich ein schlanker Junge durch die Menge, und wie dieser nach vorne gekommen und »Edler Herr, habt Ihr eine gute Reise gehabt?« gerufen hatte, antwortete der Fürst, der sehr schlecht sah: »Eine gute!« Da sprang der kluge Tasi nach vorne, riß und drehte mit aller seiner Kraft an des Fürsten Hodensack, dann trat er zurück und blieb stehen.

Und weil es den Fürsten sehr schmerzte, machte dieser »Oh, oh!«, sein Gesicht verzerrte sich vor Scham. Dann befahl er seinen Soldaten: »Faßt den klugen Jungen Tasi!«

Als sie diesen in sein Lagerzelt brachten, fürchteten die Gefährten des Tasi sich sehr. Als sie näher an das Lager des Fürsten herangingen, um etwas zu hören, kam auch der bewußte Handelsmann dazu. Und während sie nun herauszufinden versuchten, wie man jenen Jungen verprügelte, saß der Fürst in seinem Lehnstuhl; als man den klugen Jungen Tasi vor ihn gebracht hatte, ließ er seinem Zorn freien Lauf. »Was bist du für ein verdorbener Bursche, eh! Was ist das für eine dumme Sache, die du gemacht hast, daß du deinen Fürsten anfaßt, am hellichten Tage, unter der hellstrahlenden Sonne! Was hast du da für Ideen?« Als er ihn so ganz streng verhörte, da gab der kluge Tasi zur Antwort:

»Herr, wenn Ihr Euch etwas gedacht habt, was denkt Ihr jetzt. Ich mußte Euch einmal täuschen, um das zu erreichen.«

Als er dies gesagt hatte, rief der Fürst den Soldaten, die an seinen beiden Seiten gestanden hatten, zu: »Peitscht diesen Burschen!« Darauf sagte der Junge Tasi: »Herr Fürst, für mich ist es keine harte Sache, daß du mich prügelst. Ich habe, auch nachdem ich verprügelt worden bin, keine Stelle, die etwas empfindet. Bin ich doch bereits darauf vorbereitet gekommen, irgendeine Art von Strafe zu empfangen!« Als er dies gesagt hatte, war der Fürst ein wenig erstaunt und sagte:

»Hast du beschlossen, auf welche Weise dir das Fleisch von den Knochen gemacht werden soll?« Worauf der kluge Tasi seinen Vorteil sah und sagte: »Oh! Herr — das wißt Ihr nicht! Ich bin doch ein Mensch mit einer ansteckenden Seuche, bin ein Mensch, dem das Leid dieser Welt auferlegt. Als ich deshalb dies einem erhabenen Lama und weisen Meister klargelegt, hat mir dieser als Antwort gegeben: >Wenn du des Himmels Hodensack anfaßt, wird deine Krankheit gut werden! Wo aber soll ich schon des Himmels Hodensack finden? Als ich das so wieder und wieder bedachte und besah, dachte ich, da doch Ihr, Herr Fürst, außer dem Himmel keinesglei-chen habt, daß ich einmal für mein Leben daraus Nutzen ziehen sollte, was auch immer für Strafe ich dafür erhalte, daß ich an Euren Hoden, Erhabener, riß!«

Als er dies gesagt hatte, war der Fürst über alle Maßen erfreut. »Ja, seht ihr, hat mich dieser nicht Himmel genannt?!« sagte er zu seinen Würdenträgern, während er sich vor Lachen schüttelte: »Du hast deinen Gott gut gefunden, ha, ha, ha! Ich bin für dich ein Gott. So ist's recht, fürwahr!«   - Mongolische Märchen. Hg. Walter Heissig. München 1993 (Diederichs, Märchen der Weltliteratur)

 

Hodensack

 

  Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 
Unterbegriffe

 

Verwandte Begriffe
Synonyme