ochzeitsnacht  Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich an einem Ort von strahlender Helle und in den Armen einiger Jünglinge, die schöner waren als Engel. Einer von ihnen sprach zu mir: „Sohn Adams, komm zu dir! Du bist hier an der Wohnstatt derer, die nicht sterben. Über uns gebietet der Patriarch Henoch, der vor Elohim wandelte und von der Erde hinweggenommen worden ist. Der Prophet Elias ist unser Hoherpriester, und sein Wagen steht dir stets zu Diensten, wenn du dich auf irgendeinen Planeten begeben möchtest. Wir selber sind Egregoren, hervorgegangen aus der Verbindung der Söhne Elohims mit den Töchtern der Menschen. Du wirst unter uns auch einige Nefilim sehen, aber nur wenige. Komm, wir werden dich vor unseren Herrn führen."

Ich folgte ihnen und befand mich schließlich zu Füßen des Thrones, auf dem Henoch saß. Nimmermehr vermochte ich den feurigen Glanz zu ertragen, der seinen Augen entströmte, und ich wagte die meinen nur bis zur Höhe seines Bartes zu erheben, der ganz jenem bleichen Lichte glich, das wir in nebligen Nächten um den Mond erblicken. Ich fürchtete, mein Ohr würde nicht imstande sein, den Klang seiner Stimme zu ertragen, doch seine Stimme war sanfter als der Schall der himmlischen Orgeln. Indessen dämpfte er sie noch, um mir zu sagen: „Sohn Adams, man wird dir deine Gattinnen zuführen."

Gleich darauf sah ich den Propheten Elias eintreten; er führte zwei Schönheiten an der Hand, deren Zauber von den Sterblichen nicht erfaßt werden könnte. Es waren so feine, zarte Reize, daß ihre Seelen hindurchschimmerten, und man konnte deutlich das Feuer der Leidenschaften wahrnehmen, wenn essich durch ihre Adern ergoß und sich mit ihrem Blute mischte. Hinter ihnen trugen zwei Nefilim einen Dreifuß aus einem Metall, das den Wert des Goldes um soviel übertraf wie Gold den Wert des Bleis. Man vereinigte meine Hände mit denen der Töchter Salomos, und man legte um meinen Hals ein Geflecht aus ihren Haaren. Eine starke und reine Flamme, die sodann aus dem Dreifuß schlug, verzehrte im Augenblick alles, was ich Sterbliches an mir hatte. Wir wurden zu einem prunkvoll strahlenden und Liebesglut atmenden Lager geführt. Man öffnete ein großes Fenster, das zum dritten Himmel hinausführte, und das Musizieren der Engel versetzte mich vollends in ein Übermaß der Verzückung ... Doch was soll ich Ihnen sagen? Am Morgen darauf erwachte ich unter dem Galgen von Los Hermanos, ausgestreckt neben den beiden abscheulichen Leichen. - (sar)

Hochzeitsnacht (2)   Ich war entzückt vom Anstand, von der Bescheidenheit dieses Abends und habe es Frau von Coulanges gemeldet: man führt die Neuvermählte in ihre Gemächer, man bringt ihre Toiletten, ihre Wäsche, ihre Häubchen; sie löst ihr Haar, man zieht sie aus, sie legt sich ins Bett, und weiter wissen wir nicht, wer in dieses Zimmer geht und kommt, alle ziehen sich zum Schlafen zurück. Am folgenden Morgen steht man auf, und niemand besucht das junge Paar. Es steht seinerseits auf, zieht sich an, und kein Mensch stellt dumme Fragen: »Sind Sie mein Schwiegersohn? Sind Sie meine Schwiegertochter?« Sie sind, was sie sind, es wird ihnen kein besonderes Frühstück vorgesetzt, jeder tut und ißt, was er will, alles geht still und unauffällig vor sich, keine schlechten Manieren, keine albernen Witze. So habe ich es noch nie erlebt, und so finde ich es die richtigste und hübscheste Art der Welt.  - (sev)

Hochzeitsnacht (3)  Der junge Ehemann wies auf eine kaum sichtbare Tapetentür, hinter welcher eine Wendeltreppe sich zeigte.

»Sehen Sie, Mr. Holmes«, stieß er atemlos hervor, »diese Tür, welche sonst immer verschlossen war, ist offen; oh, es ist kein Zweifel mehr, Helyett ist mir entflohen.«

Sprachlos starrte Sherlock Hohnes die unscheinbare Tür an; er konnte noch immer nicht den Gedanken fassen, daß Helyett, die junge Frau, welche vor wenigen Stunden Besitzerin eines kleinen Paradieses und Gattin eines der reichsten Männer Londons geworden war, entflohen sein könnte; sie, die noch vor einer halben Stunde mit glücklichem Lächeln zu dem Manne aufgeschaut hatte, der ihr alles, was sein eigen war, zu Füßen gelegt hatte.

»Wohin führt diese Tür!« fragte er Mr. Roseberry.

»Direkt auf die Straße; die Ausgangstür liegt hinter einem Mauervorsprunge und ist kaum zu bemerken. Mir ist es ein Rätsel, woher Helyett Kenntnis von dieser Tapetentür und der dahinter liegenden Wendeltreppe hatte. Sie kannte ja mein Haus erst seit heute.« - Sherlock Holmes: Der Mädchenhändler von Konstantinopel. Aus: Die großen Detektive, Bd. 2. Hg. Werner Berthel, Frankfurt am Main 1980, it 368)

Hochzeitsnacht (4)  Die Morosowsche erhob sich vom Tisch. »Ich«, sagt sie, »verschwinde jetzt, Xenjuscha, was soll ich hier noch? Zwischen euch wird Liebe sein. Wenn ihr euch hinlegt«, sagt sie, »mußt du ihm die Stiefel ausziehen. Die Männer — da kommst du nie nach mit dem Waschen.«

Der Rausch indessen spielt sein Spiel. Der Valentin zerrt an seinen Haaren, wickelt sie um den Finger.

»Ich«, sagt er, »hab Gesichte. Immer, wenn ich getrunken hab, kommen mir Gesichte. Dich, Xenia, seh ich tot und mit ekelhafter Fratze. Ich geh als Pope hinter deinem Sarg und schwenke das Weihrauchfäßchen.«

Dabei hob er natürlich die Stimme.

Sie aber ist ja nur eine Frau. Versteht sich, daß sie schon wie beiläufig die Bluse aufgeknöpft hat.

»Schrein Sie nicht so, Valentin Iwanowitsch«, flüstert das Weib, »nicht so laut, sonst hören's die Herrschaften.«

Ja, aber wie soll man einen halten, den der große Jammer überkommt?

»Du hast mich rundherum beleidigt«, heult der Valentin und wiegt sich, »ach, die Menschen sind ja so gemein, was die alles wollen, die Seele wollen sie kaufen . . . Ich«, sagt er, »bin zwar unehelich geboren, aber doch eines Adligen Sohn . . . Kapiert, Köchin?«

»Ich werde Ihnen Zärtlichkeiten erweisen, Valentin Iwanowitsch . . .«

»Laß mich!«

Sprang hoch, riß die Tür auf.

»Laß mich.   Ich geh hinaus in die weite Welt.«

Aber wo soll er schon hin, der Brave, besoffen, wie er ist? Er fiel aufs Bette, kotzte, mit Verlaub, die Laken voll und entschlief, der arme Gottesknecht.

Schon war die Morosowsche wieder da. »Da kommt nichts mehr bei raus«, sagte sie, »wir wollen ihn hinaustragen.«  - Isaak Babel, Das Märchen vom Weib, nach (babel)

Hochzeitsnacht (5)   Ein Mädchen, ein Fräulein aus gutem Hause, die am andern Morgen nach ihrer Hochzeit einigen von ihren Gefährtinnen ihre Abenteuer der vergangenen Nacht erzählte, sagte: »Wie!? Weiter ist es nichts? Ich habe doch manche von euch und von andern Frauen und Männern sagen hören, die sich so tapfer und galant zeigen und Berge und Wunder versprechen, meiner Treu, meine Gefährtinnen und Freundinnen, dieser Mensch (sie redete von ihrem Gemahl), der einen so hitzigen Liebhaber spielte und sich für einen tapfern und tüchtigen Ringelstecher ausgab, statt aller Rennen hat er bloß viere gemacht, wie man gewöhnlich drei für den Ring rennt und den andern für die Damen; und zwischen den vieren hat er noch mehr Pausen gemacht, als es gestern abend auf dem großen Ball gegeben hat.«  - (brant)

Hochzeitsnacht (6)  Es endete alles in äußerster Verwirrung. Ich benahm mich, so gut es ging, konnte aber meine dadaistische »Wildheit« schlecht mit dieser Zurückhaltung zusammenbringen. Obwohl ich, wie ich sagte, viel Verständnis für Konventionelles hatte, war ich doch ein äußerst schlechter Tröster und Heilbringer. Es gibt auf der ganzen Welt nichts Sensibleres als die männliche Potenz. Zu jeder Form der Liebe gehört Freiheit, richtige oder eingebildete. Hier aber fanden wir uns in einem hoffnungslosen Gestrüpp vieler sich heftig widersprechender Gefühle.

So blieb uns nichts übrig, als die so generös angebotene Wohnung unverrichteter Sache zu verlassen. Wir gingen schweigend durch das nächtliche Zürich, das damals noch nicht seine ehrwürdigen Bauten mit Neonlicht bestrahlen ließ.

Es war in der Tat dunkel, sehr dunkel. Ich wollte L.s Arm ergreifen, aber sie stieß mich zurück, und in der »Drahtzugstraße« - diesen Namen werde ich nie vergessen - wurde L. eiskalt und bitter. Ich fühlte, unser Verhältnis war am Ende angekommen. - Richard Huelsenbeck, Reise bis ans Ende der Freiheit. Autobiographische Fragmente. Heidelberg 1984

Hochzeitsnacht (7)  Maurice hat dir  noch die Treppe hinaufgeholfen. Du warst so betrunken, daß du kaum noch gehen konntest, aber im Kopf warst du noch klar. An der Zimmertür hast du Maurice umarmt, steif, schrecklich zeremoniell. Dann hast du gesagt: ›Maurice, danke für die Gesellschaft, nicht bloß heute, sondern auch für deine Gesellschaft im Knast.‹ Wir kamen in das Zimmer. Es war so elend sauber alles. Du hast vor dem Bett gestanden. Ich habe mich ausgezogen. Du hast mir zugesehen. Du schwanktest, aber mit klarer Stimme hast du noch gesagt: ›Daß ich dich von Herzen und mit allen Verstandesresten liebe, Lor, das sollst du immer mehr erfahren. Aber keinen Geschlechtsverkehr in der Hochzeitsnacht. Man kann die Satire auf Autorität und Familie verdammt schnell überziehen.‹ Dann bist du, mit dem Gesicht vornüber, auf das Bett gefallen und bist so liegengeblieben. Es war eine ernste Hochzeitsnacht.  - (kap)

Hochzeitsnacht (8)  »Wenn man uns in irgendeinem Augenblick unseres Lebens, den wir vielleicht für den glücklichsten halten, sagen würde, dabei werde es nun für immer und ewig bleiben, kämen wir zu der Einsicht, daß wir damit nicht zur ewigen Seligkeit, sondern zu ewigem Leid gelangt wären.« Er erinnerte sich mit Trauer, daß ihm diese Überlegung selbst in seiner Hochzeitsnacht in einem bestimmten Augenblick gekommen war.- (blix)

Hochzeitsnacht (9)  In der Hochzeitsnacht liegt Katharina ängstlich wartend im Bett. Es ist bereits nach Mitternacht, als Peter ins Zimmer torkelt, Unverständliches lallt, angezogen aufs Bett fällt und zu schnarchen beginnt. Verwirrt starrt Katharina ins Dunkle.

Peter schläft zwar anfangs mit seiner Gemahlin in einem Bett, aber statt sie zu umarmen, breitet er vor dem Einschlafen seine Spielzeugsoldaten auf dem Laken aus und erfindet heroische Schlachten. Weder Katharinas Anmut noch ihr Körper erregen ihn; ihre Klugheit verstärkt nur seine Minderwertigkeitskomplexe. Nächtelang trinkt er mit seinen Lakaien, und wenn sie so betrunken sind, dass sie ihn wie ihresgleichen behandeln, prügelt er sie. - Dieter Wunderlich

Hochzeitsnacht (10)



Brunhild betrachtet in der Hochzeitsnacht ihren Gatten Gunther

- Henry Fuseli

Hochzeitsnacht (11)

Hochzeitsnacht (12)

Hochzeitsnacht (13)



Hochzeit Nacht

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