itze    Allhier muß man nun betrachten, was das Wort Qualität heißt oder ist. Qualität ist die Beweglichkeit, Quallen oder Treiben eines Dinges, als da ist die Hitze, die brennet, verzehret und treibet alles, das in sie kommt, das nicht ihrer Eigenschaft ist. Hinwiederum erleuchtet und erwärmet sie alles, was da ist kalt, naß und finster und machet das Weiche hart. Sie hat aber noch zwo Species in sich, als nämlich das Licht und die Grimmigkeit, davon zu merken ist.

  Das Licht oder das Herze der Hitze ist an ihm selber ein lieblich, freudenreicher Anblick, eine Kraft des Lebens, eine Erleuchtung und Anblick eines Dinges, das da ferne ist, und ist ein Stück oder Quell der himmlischen Freudenreich. Denn es machet in dieser Welt alles lebendig und beweglich, alles Fleisch, sowohl Bäume, Laub und Gras wachset in dieser Welt in Kraft des Lichts und hat sein Leben darinnen als in dem Guten.

 Hinwiederum hat sie in sich die Grimmigkeit, daß sie brennet, verzehret und verderbet; dieselbe Grimmigkeit quellet, treibet und erhebet sich in dem Licht und machet das Licht beweglich, ringet und kämpfet miteinander in seinem zweifachen Quell als ein Ding. Es ist auch ein Ding, aber es hat einen zweifachen Quell.

 Das Licht bestehet in Gott ohne Hitze, aber in der Natur bestehet es nicht; denn in der Natur sind alle Qualitäten ineinander wie eine Qualität nach Art und Weise, wie Gott alles ist und wie von ihm alles herkommt und ausgehet: Gott ist das Herze oder der Quellbrunn der Natur, aus ihm alles herrühret.

 Nun herrschet die Hitze in allen Kräften in der Natur und erwärmet alles und ist ein Quell in allem; sonst wo das nicht wäre, so wäre das Wasser viel zu kalt und die Erde erstarrete, auch so wäre keine Luft nicht.

 Die Hitze herrschet in allem, in Bäumen, Kraut und Gras. Darum heißt sie eine Qualität, daß sie in allem quillet und alles erhebet.

  Das Licht aber in der Hitze gibt allen Qualitäten die Kraft, daß alles lieblich und wonnereich wird. Die Hitze ohne das Licht ist den andern Qualitäten kein Nutz, sondern ist eine Verderbung des Guten, ein böser Quell; denn es verdirbet alles in der Hitze Grimmigkeit. Also ist das Licht in der .Hitze ein lebendiger Quellbrunn, darein der Hl. Geist gehet, aber in die Grimmigkeit der Hitze nicht. Die Hitze aber macht das Licht beweglich, daß es quillet und treibet, als man siehet im Winter. Da ist das Licht der Sonnen gleichwohl auf Erden, aber der Sonnenhitze Strahlen kann den Erdboden nicht erreichen, darum wachset auch keine Frucht. - (boe)

Hitze (2) Immer noch dasselbe grellrote Leuchten. Auf dem Sand der Atem des Meeres mit den kurzen, verhaltenen Zügen seiner kleinen Wellen. Ich ging langsam auf die Felsen zu und fühlte, wie mir die Stirn unter der Sonne anschwoll. Die Hitze legte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf mich und stemmte sich mir entgegen, und jedesmal, wenn ich ihren heißen Atem auf dem Gesicht fühlte, biß ich die Zähne aufeinander, ballte die Fäuste in den Hosentaschen und spannte mich, um über die Sonne und den dunklen Rausch, den sie über mich ergoß, zu triumphieren. Bei jedem Lichtspeer, der aus dem Sand, aus einer gebleichten Muschel oder aus einer Glasscherbe aufschoß, verkrampften sich meine Kiefer. Es war ein  langer Weg.  - Albert Camus, Der Fremde. Reinbek bei Hamburg 1963 (zuerst 1953)

Hitze (3)    Viele Pilger, die den Weg von Jaffa nach Jerusalem aus Frömmigkeit barfuß auf dem glühenden Sand zurücklegen, haben darüber schon den Verstand verloren oder sind von den Sandstürmen begraben worden, die bei Westwind weite Teile Afrikas, die arabischen Wüsten und Baktrien, das heute Khorasan heißt, heimsuchen. Den Grund der Melancholie so vieler venezianischer Frauen sieht Hercules de Saxonia, Professor ebendort, darin, daß sie sich zu lange in der Sonne aufhalten. Und Montanus führte die Geistesverwirrung seines jüdischen Patienten aumindest teilweise auf die Unvorsichtigkeit zurück, mit der er sich der Hitze und Kälte aussetzte. Wegen der hohen Temperaturen sind die gepflasterten Straßen in Venedig im Sommer um die Mittagszeit wie ausgestorben, und die Einwohner schlafen dort zumeist ebenso wie im Reich des Großmoguls oder im gesamten Ostindien. Im arabischen Aden halten sie nach dem Reisebericht des Ludovicus Vertomannus ihre Märkte nachts ab, um die Temperaturspitzen zu umgehen, und in Hormus liegt die Bevölkerung wie eine Kuhherde auf der Weide den ganzen Tag über bis zum Kinn im Wasser.  - (bur)

Hitze (4)  Ich zerschmelze und zerfließe, aber alles zerfließt ebenfalls; wo Norden, wo Süden ist, nichts weiß ich, vielleicht erfasse ich die Landschaft verkehrt herum, Kopf nach unten, aber es ist keine Landschaft zu sehen, nur kleine Fliegen, Stängelchen, Streifchen, Zittern der Atmosphäre, im Glanz ertrinkendes Summen. Hingegen beginnt mich Sergio zu irritieren. Heute beim Frühstück hat er uns wieder etwas verwundert, als er sich so irgendwie herumdrehte, daß er, nachdem er in das Speisezimmer eingetreten war, sozusagen nochmals in das Speisezimmer einzutreten schien, das heißt, als ob gewissermaßen von außen her, es war so, als ob er von innen nach außen hereinkäme, was ihm erlaubte, dann von innen nach innen hinauszugehen und dann erst von innen nach außen ... Ich sage »als ob«, »gewissermaßen«, denn alles war nur bis zu einem gewissen Maße, aber zweifellos entfernt sich der Junge immer mehr von der Schablone. Die Eltern sahen ihn aufmerksam an, aber nur bis zu einem gewissen Maße, denn es ist übrigens unmöglich, Aufmerksamkeit zu konzentrieren, und der Schweiß überflutet einen, und alles verwischt sich... - (gom)

Hitze (5)  Die Hitze im Zimmer, der Eifer meiner zoologischen Untersuchungen und das Heranrücken meiner Monatsregel ließen mich heute nacht nicht schlafen. Gegen drei Uhr morgens stand ich auf, zog meinen Morgenrock über und ging auf den Hof hinaus. Alles war still. Der Mond kugelte majestätisch über den Teppich des Himmels und bespritzte das Anwesen Onkel Mac Culloghs mit seiner Milch. Plötzlich schoß ein herzzerreißender Schrei durch die Stille der Nacht und jagte mir eine Heidenangst ein. Der blonde Flaum meines kräftigen, jungfräulichen Leibes sträubte sich vor Entsetzen. Ich rührte mich nicht. Noch einmal drang der Schrei durch die Nacht, schrill, aggressiv, unheimlich. Ich begann zu schwitzen, zuerst auf der Stirn, dann unter den Achselhöhlen, dann in den Lendenhöhlen. Nur kurz wurde das Jammergeschrei jeweils unterbrochen und ging dann in voller Lautstärke weiter. Einen Augenblick lang glaubte ich an die Gegenwart eines Gespenstes, das Kummer hat, da man aber hier in der Gegend nie eines erwähnt hatte, schien mir das sehr bald völlig unwahrscheinlich. Und außerdem glaube ich nicht an diese Geschichten.

Eine köstliche Brise, die einen guten Geruch nach Torf mitbrachte, kühlte meine Stirn. Ich öffnete ein wenig meinen Morgenrock, damit sie den Rest trockne. Obgleich das Geschrei nicht aufgehört hatte, begann ich wieder Mut zu schöpfen und beschloß, einmal nachzusehen, was wohl so furchtbar schreien mochte. Dem Schall nachgehend, näherte ich mich unter stetem Zögern dem tönenden Wesen und entdeckte zwei Katzen. Die eine, die gellende, lag flach hingeduckt auf dem Bauch, den Kopf am Boden und das Hinterteil hochgestreckt. Die andere strich um sie herum. Ab und zu ging sie näher heran, dann schlugen sie mit den Krallen nach einander und fauchten sich an. Darauf zog sie sich zurück, besiegt, strich wieder um den Gegner herum und beobachtete ihn. Ich zögerte nicht, in Anbetracht der Lage und der Kampfmethode dieses Gegners auf dessen Niederlage zu schließen. Ich habe darin einige Sachkenntnisse, da ich zur C. A. C. C. F. A. (Catch-as-catch-can Feminine Association), zur F. I. F. A. (Full-in Feminine Association) und zur G. R. W. F. A. (Greco-roman Wrestling Feminine Association) gehöre.   - (sally)

Hitze (6)  Arles im Buch von der Geburt spricht also/ der Sam und der Mensch Gebären einen Menschen/ dann die Krafft und Geist deß Samens machen lebendig/ und das geschieht sibenfaltiger weiß/ und Würckung der Sonnen Hitz/ nach dem aber die Philosophi in ihrem Werck der Natur mit Kunst müssen helffen/ so müssen sie mit Kunst ein Hitz Regieren/ gemeß der Sonnen/ auff das sie Gebehren mögen den obberürtten Stein/ und das geschieht auch sibenfeltiger weiß.

Erstlich gezimmet ein solche Hitz/ die da weych machet/ und schmiltzt die dicke der Erden/ die dick und hart zusammen gebachen seindt/ darvon redet Socrates also/ es werden auffgethon die Löcher und Riß der theyl deß Erdtrichs/ daß es an sich nemmen möge die Krafft deß Feurs und Wassers.

Zum Andern Gezimbt sich der Hitz/ das dann durch ihre Krafft wirt von der Erden getriben/ alle Finsternuß/ und alles erleuchtet sie auff das Sprichwort Senior/ es macht die Hitz ein jedes ding weiß/ und ein jedes weiß ding rot/ wann also auch das Wasser weiß machet/ also erleuchtet auch das Feur/ als dann auch die Farbe/ durchscheinet die Subtilierte Erden/ wie der Rubin/ durch den Tingierenden Geist/ deß Feurs/ auff solches spricht Socrates/ du wirst sehen ein wunderbarlichs Liecht der Finsternus.

Zum Driten Bringet die Hitz ein jedes ding in ein geistliche Krafft/ darvon steet geschriben/ in der Turbal machet die Corpora geistlich/ und daß Fix ist machet flüchtig von söllicher würckung Redet Rasis im Buch vom Liecht/ deß Liechtes/ Man kan kein ding das schwer ist/ leicht machen/ ohn hilff des leichten dinges/ auch mögen leichte ding/ nit nider gedruckt werden/ ohn beystanndt deß schweren.

Zum Vierten reiniget die hitze/ und scheidet ab/ das unreine/ dann es nimpt ab die Mineralischen zufehl/ und allen bösen gestanck/ und ernewert das Elixir darvon spricht Hermes/ du sollst absondern daz dick ist/ von dem Subtillen/ die Erde von dem Feur/ darvon redet Alphidius also/ die Erde laßt sich schmeltzen/ und wirt Feur Herauß entspringen/ spricht Rasis/ etliche weichmachung der Kunst/ welche müssen vorgen/ vor die volkommnen bereitung die da genant wirt Mundificatio dann allererst ist das werck volbracht/ wann die unreinen theil hinweck sindt.

Zum Fünfften erhöcht die hitz durch die Krafft des Feurs/ wirt der verborgne Geist der erden in den lufft gebracht/ und deßhalben sprechen die Philosophi welcher ein verborgen ding herfür bringen kann/ der ist ein Meister der Kunst/ das will auch Morienes da er spricht/ welcher die Seel erquicken kan/ der wirts erfaren/ Alphidius spricht/ Es sey dann/ das diser dampff hinauff steige/ sonsten wirstu nichts darvon haben.

Zum Sechsten/ so ist die Krafft von der hitz deß Feurs also gemehret in der Erden/ daz sie hat ihre zusammen getrungene theil solviert/ und leicht gemacht/ das auch die andere Element übertrifft/ und derhalben sol dise hitz gemehrt werden/ mit der Kelte deß Mans/ darvon spricht Calus also/ erlösche das Feur eines dinges/ mit der kelte eines andern dinges.

Zum Sibenden/ wann die hitz die kalte Erden getödtet hat/ darvon redet Socrates/ die hitze so sie durch geht/ macht subtil alle Irdische ding/ die zu der Materien dienet/ aber zu keiner entlichen Form/ so lange sie nicht aufhören in der Materien/ zu würcken/ die oberzehlten hitzen beschlossen/ welches die Philosophi mit kurtzen werten sprechen/ distillier siben mal/ so hastu abgesondert die zerstörliche Feuchtigkeit/ und geschieht alles in einer Distellation. - Salomon Trißmosimus, Splendor Solis. In: Künstliche Menschen. Hg. Klaus Völker. Frankfurt am Main 1994 (st 2293)

Hitze (7) Selbst zwischen zwei und drei Uhr morgens war es im Valley, der flachen Mulde im Ostteil Harlems, heiß wie in einem Backofen. Die Hitze stieg aus dem Pflaster, ließ den Asphalt Blasen werfen und wurde vom Luftdruck wieder auf die Erde zurückgepreßt, wie der Deckel auf einem Topf.

Ein stinkender, heißer Brodem stand in der heißen regungslosen Luft - ein Dunst von siedendem Fett, verbranntem Haar, Auspuffgasen, faulenden Abfällen, billigem Parfüm, ungewaschenen Körpern, verfallenen Gebäuden, Hunde-, Ratten- und Katzenkot, Whiskey und Erbrochenem und allen anderen Gerüchen der Armut.

Halbnackte Menschen saßen an offenen Fenstern, überfüllten die Feuertreppen, schlurften auf den Gehsteigen hin und her, streiften in klapprigen Autos die Straßen auf und ab.

Es war zu heiß, um zu schlafen. Und es war zu laut, um sich zu entspannen, von kühlenden Schwimmbecken und schattenspendenden Bäumen zu träumen. Die Nacht wurde von dem Plärren zahlloser Radios, dem wilden Kreischen spielender Halbwüchsiger, hysterischem Gelächter, Autohupen, gellenden Flüchen, hemmungslosen Streitereien und dem Geschrei bei Messerstechereien erfüllt.

Die Kneipen waren geschlossen, deshalb trank alles aus der Flasche. Was anderes konnten sie nicht tun, als scharfen, billigen Whiskey trinken, sich noch mehr erhitzen und anschließend auf Raubzüge ausgehen und sich prügeln. - Chester Himes, Heroin für Harlem. Reinbek bei Hamburg 1968 (zuerst 1966)

Hitze (8)  »Ich bin temperiert, gekocht, zu dem was ich bin, gemacht worden - durch die verschiedenen Hitzen, die der Leib eines Weibes ausströmt«, sagte ihr Sohn, mit fester Oberlippe. »Da war zum Beispiel das vorbereitende Begießen, die Wärme der Mutterbrust, da war das erste Ansengen eines süßen Mädchenhinterns auf meinen Knien mit vierzehn, dann folgten die unterschiedlichen und jeweils besonderen Kochvorgänge, die der Ehestand mit sich brachte, aber ich darf wohl sagen, daß ich nicht vollständig gebraten, geröstet und mit einer guten Kruste versehen wurde, bevor ich die schöne Kate kennenlernte, denn in ihr waren Hitzegrade, keinem köchelnden Weibe vergleichbar, und nachdem ich nun gut gewendet bin, wer wird mich essen? Die Behörden des Staates und die Klugschnacker der Nation? Denn ich sag Euch, Mutter, sie riechen einen gut gebratenen Vogel, mein Duft ist reif für die Nase der Justiz, und wie ein Rudel Hunde, mit geifernden Lefzen, blutunterlaufenen Augen und dem Wind in den Ohren schnauben sie den Weg meines Schicksals herab.«  - (ryder)

Waerme

 

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