irschjagd
Der Oberförster läßt es sich oft gut schmecken. Er läßt es sich oft und
gut schmecken. Der Millionär spürt nicht, was er ißt, wenn ihn die Jagdschauer
überkommt. Über einen Stand an Nahrung lebendiger Sorte wird försterlich Buch
geführt. Manches wurde fürs Geschoß erzogen, zum Beispiel Fasane. Berg und Flur
kennen den Auswuchs, den Überschuß, der zurückgestutzt werden muß. Ich bin optimistisch,
wie das Wetter morgen wird. Die Hirschhelfer, die Hirschhäuter, die Hirschhacker
fragen sich, wann sie wieder ins Wirtshaus kommen werden. Maden und Würmer hocken
sofort, als hätten sie drauf gewartet, im Gehäuse dieses Großtiers. Schon ermüdet
das Blut im Schußloch. Auf die Wildhelfer wartet der Schrecken des hilflosen
Alters (ihnen tut niemand den Gefallen, sie vorzeitig durch Kugeln aus dem Verkehr
zu ziehen), vor dem Schrecken des Waldes haben sie blutige Tücher vor Türen
und Fenster genäht, diese Tüchtigen. So bleibt der Wald draußen. Die Vorarbeiter
stehen vor ihren Sägen. Der Schotter knirscht, der Kies schäumt. Die Erde wogt
vor den Todesrohren, die auf sie gerichtet sind. Die Erde zuckt und macht auch
sonst schrille Bewegungen, doch sie wird Ziel. Auf den Dachfirsten kauern die
Delikatessen aus Vogelkörpern wie Schnepfe und Rebhuhn. Alle aus dem warmen
Käfig ausgesetzt. Das Gewehr stellt sich entschlossen vor den Jägersmann. Lang
fließt Talg durch die Nacht, so nachgiebig ist die Natur, wenn es dunkel wird.
Der Opel Kadett spuckt vor dem Oberförsterhaus aus. Die Villache-rin hat ihre
Trafik fremden Händen überlassen, derweil sie sich der Liebe ergibt, nun zersorgt
sie sich die Hirnfalten nach Villach und Verdienst. Noch lebt die Frau, aber
sie stirbt schon von den Rändern her. Der Kuß des Todes steht mit seiner Aktentasche
vor dem Einfamilienhaus, das der Villacherin gerne gehören möchte. Der Todesschmer
zerrt, ohne Ansehen der Person, Gedärme aus der Kuh, die soeben mißgeboren hat.
Geäder schlingt sich zu Knoten. Der Kaufhausmillionär behandelt jemand flüchtig
wie seinesgleichen, mit weniger Mühe als er auf seine Fußnägel verwendet. In
seinem Herzen ist Platz nur für wenige. An seiner Herzenskasse stehen die Schlangen
seit gestern früh. Hoffen, daß sein Blick wie Sonne auf sie fällt. Ich schieße
auch gern, aber nur mit dem Fotomat, sagt seine Frau. Einer, der die Lokalpresse
vertritt (und durch diese schon komplett vertiert wurde, soviele tödliche Unfälle
hat er mit angesehn), wankt demütig in seiner Bedarfskleidung. Die Frau des
Kaufhauskönigs sagt ein kleines Wort. Einer will sie denn doch im Bikini sehen,
scherzt er. Der Jagdherr klotzt Alkohol aus dem Spender. Dankbar übernehmen
die Holzarbeiter diese Verantwortung aus seinen Händen. Das tote Haar des Hirschen,
das tote Gefeile des Rehs. Sicher und flink gehts ins tobende Gelände. Zuk-kend
entleeren sich die Gipfel, die Holzfäller prallen von den Kogeln, den Mugeln,
den Graten, ihre tiererne Beute umschlingend, hinunter ins Tal. Im Tode noch
umarmen sie das saftige Beutestück, das sie ihrer Frau mitbringen wollten. Hautfarbe
wird mit Blut verschmiert. Die Frau des Kaufhauskönigs schminkt sich beide Lippenteile.
Der Oberförster hat den Spiegel dazu beigestellt. Das Mysterium Leben, wie jemand
im Fernsehen behauptet, beschäftigt niemand als eine speichelnde Bande von Jagdgecken.
Unweit der Stätte ihres Aufenthalts schlägt ein Wildbach gegen sein Bett. Weich
sacken die Tiere durch die Gletscherrinnen, sanft prallen die Köpfe, lieb hüpfen
die Euter. Sie tragen ihre Kopfzier nicht mehr. Weißglühend fressen sich Sägen
in Stämme fressen sich in Knochen. Fräsen Geweihtes vom Kopf. Milchig träufelt
die Kuh ihren Atem herum, sie ist freigebig mit ihren Ergebnissen.
Es ist ein Forstrückstand zu vermeiden. Einer rechnet unbesonnen Tier gegen
Pflanze auf. Eins schadet dem anderen, und doch ist uns beides so nötig! Hätten
wir beides nicht, hätten wir auch uns nicht länger. Kochendes Pech rinnt aus
Baumverletzungen. Die Jäger sticheln zögernd in die Waldesbrühe hinein, die
Stämme spiegeln sich im teerigen See, ein Betrachter steht auf und geht, weil
zu lange nichts passiert ist. Die Natur ist eben meist ruhig, weil sie sich
erholen möchte. Die Jagdgesellschaft schlägt, betrunken, mit glühenden Schatten
aufeinander ein. - Elfriede Jelinek, Oh Wildnis, oh Schutz vor ihr. Reinbek
bei Hamburg 1993
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