irngeschwür
Schließlich ist auch das idiotischeste Geplärr eine Möglichkeit.
Hinter jedem Satz hat man ein wildes Gelächter
unmißverständlich anzudeuten; hinter jeder Muskelbewegung optischeren Charakters
desgleichen: sonst ist man ein - ernster Mensch ... Sum: ob nicht das menschliche
Hirn bloß ein hereditär-chronisches Geschwür ist? Dagegen spricht der Umstand,
daß ich diesen Einfall ohne dieses Geschwür gar nicht gehabt hätte, durchaus
nicht. ALLES ist ein Symptom. Die Sprache ebenso wie die durch sie produzierten
Resultate. Es ist kein Standpunkt, keinen zu haben. Die Erde bewegt sich (irgendwie)
und das Denken ist wahrscheinlich nur ein Symptom dieser Bewegung ... Da man
den Sinn (die Lücke) nicht hat, hat man den Wahn, einen Sinn zu haben, oder
den,-keinen Wahn zu haben, erfreulicheren Falls. Man ist also inkurabel wahnsinnig
... Daß diesen heiteren Zustand ein jahrtausendealtes Geschwür besorgen sollte,
ist ein fast beruhigender Gedanke. Gedanke? Epochal! Wahnsinn? Säkular! Ist
das nicht auch ein Wahn? O stundenlang, o stundenlang ... Kikeriki!... Gewiß:
aber es ist der dünnste, der letzte, der HELLE Wahnsinn... Ich kann mir deshalb
freudvoll gestatten, Kikeriki zu schreien. (Ich habe soeben Kikeriki geschrien
...)... KIKERIKI!!! ...
- Walter Serner, Letzte Lockerung
- Manifest Dada 1918. Nach: W. S., Das Hirngeschwür. DADA. Gesammelte Werke II, Hg. Thomas
Milch. München 1988
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