eterophobie Vielleicht werden wir heute abend schon einen kleinen Vorgeschmack bekommen, sagte Edmund. Die elfte Verlobte in sieben Jahren, die wollen wir uns doch ansehen, Mut muß sie haben, wenn sie ihm jetzt nicht auf und davon läuft, Miß Eleven, und dabei verlobt sich der Margarinehändler nur mit denen, die es sonst nicht tun würden. Wieviele er also noch nebenher vernascht, ohne daß wir es wissen, das ... das ... (Edmund verhedderte sich) ... das wissen wir gar nicht.
Und warum sollten wir das wissen? fragte ich, obwohl ich genau wußte, warum
Edmund es wissen wollte. Er wollte es nicht wissen, er mußte. Er konnte sich
nicht wehren gegen dieses quälende Interesse an den Genüssen, die ihm verwehrt
waren, nach denen er sich vielleicht sehnte, ich weiß es nicht. Er beschäftigte
sich mehr mit Josef-Heinrichs Liebschaften als dieser selbst, er fragte ihn
aus, ließ sich alles so genau als möglich schildern, ließ sich die Fotos zeigen
und die Schmalfilme, auf denen Josef-Heinrich alles festhielt, was er trieb.
Josef-Heinrich hatte seine Wohnung mit großer technischer Finesse für solche
Dokumentationen eingerichtet. Zuweilen hatte sich sogar schon Edmund angeboten,
die Kamera auf die erotische Bühne zu richten, nur um möglichst nahe dabei zu
sein. Josef-Heinrich war immer herzlich gern bereit, Edmund alles zu erzählen,
ihm alles zu zeigen, ihn sooft als Edmund es wünschte, zuschauen zu lassen.
Ihm machte es einen Heidenspaß, sich vor uns als ein großer Liebhaber zu produzieren.
Sah ich am Himmel Wolken in vergleichbaren Formen aufeinander zujagen und übereinander
herfallen, dachte ich: der große Bock Josef-Heinrich treibt sein Geschäft. Er
hatte einen Drang zum Exemplarischen. Edmund, dessen Haß er wie eine Anregung
spüren mochte, war sein bevorzugter Zuschauer. Er nährte Edmunds unglückliche
Gier und vergrößerte sie lauthals lachend mit allen seinen Abenteuern. Und Edmund,
der einmal unsere Welt einen mißratenen Scherz eines zynischen Schöpfers nannte
und sie ein anderes Mal als den dümmsten kosmischen Zufall in
der Geschichtslosigkeit des Alls beschimpfte, Edmund wurde, sobald es sich um
Josef-Heinrichs Schlafzimmer-Inszenierungen handelte, zu einer keifenden
vikto-rianischen Gouvernante, manchmal aber auch zu einem weisen Mann, der seinen
Ekel nur aus Höflichkeit verbirgt. Er lud übrigens, um sich zu rächen, Josef-Heinrich
nie zu sich, wenn er für Pawel oder für andere
Geschäftsfreunde seine Wohnung mit jungen Mädchen ausstaffierte. - Martin Walser, Halbzeit. München 1971 (zuerst
1960)
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