erzensfreund
Wer der menschlichen Sehnsucht berufsmäßig dient und
seinen Unterhalt daraus zieht, ist darum seinerseits keineswegs über eben diese
der Menschennatur tief eingeborene Schwäche erhaben; denn er würde sich ihrer
Pflege, ihrer Erweckung und Befriedigung nicht so gänzlich gewidmet haben und
sich weniger trefflich auf sie verstehen, wenn sie nicht in ihm sogar besonders
lebendig, ja, wenn er nicht für seine Person ein rechtes Kind der Sehnsucht
wäre. So nun kommt es, daß, wie bekannt, jene Mädchen außer den vielen Liebhabern,
denen sie sich geschäftsweise widmen, "meistens noch einen Herzensfreund
und Hausgeliebten besitzen, welcher, derselben niedrigen Sphäre entstammend,
auf ihren eigenen Glückstraum ebenso planmäßig sein Leben gründet, wie sie auf
den aller anderen. Denn indem diese Leute, unbedenkliche und zur Gewalttat geneigte
Subjekte zumeist, einer solchen die Freuden außeramtlicher Zärtlichkeit spenden,
auch ihren Dienst überwachen und regeln und ihr einen gewissen ritterlichen
Schutz gewähren, machen sie sich völlig zum Herrn und Meister derselben, nehmen
ihr den größeren Teil dessen ab, was sie verdient, und behandeln sie, wenn das
Ergebnis sie nicht befriedigt, mit großer Strenge, was jedoch gern und willig
ertragen wird. Die Ordnungsmächte sind diesem Gewerbe feindlich gesinnt und
verfolgen es beständig. Darum setzte ich mich bei jenen Tändeleien einer doppelten
Fährlichkeit aus: erstens der, von der Sittenbehörde für einen der rohen Kavaliere
gehalten und angesprochen zu werden; dann aber der andern, die Eifersucht dieser
Tyrannen zu wecken und mit ihren Messern Bekanntschaft zu machen, womit sie
sehr locker hantieren. - Thomas
Mann
,
Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main 1965 (Fischer-Tb.
639, zuerst 1954)