erzensdame "Es erscholl ein großes Heulen und Wehklagen, begleitet von markerschütterndem Ächzen und angstvollem Schluchzen. Ich wendete den Kopf und sah durch die kristallenen Wände hindurch in feierlichem Zuge zwei Reihen allerschönster Jungfrauen einen ändern Saal entlang hinschreiten, alle in Trauer gekleidet, mit weißen Turbanen auf den Häuptern nach türkischer Art. Zuletzt kam hinter den Jungfrauen eine vornehme Dame daher - als eine solche erkannte man sie an ihrer ernsten Würde -, ebenfalls schwarz gekleidet, mit weißen Kopfbinden, so lang und tief herabhangend, daß sie den Boden küßten. Ihr Turban war zweimal so groß als der größte auf dem Haupte jedes ändern Fräuleins; sie hatte zusammengewachsene Augenbrauen, die Nase war etwas stumpf, der Mund groß, aber die Lippen rot; wenn sie zuweilen ihre Zähne sehen ließ, bemerkte man, daß sie auseinanderstanden und nidit schon angewachsen waren, hingegen weiß glänzten wie geschälte Mandeln. In den Händen trug sie ein feines Linnentuch und darin, soviel man erspähen konnte, ein Herz, das aus einer Mumie genommen schien, so dürr und ausgetrocknet war es.
Montesinos sagte mir, all die Leute in dem Zuge seien
Durandartes und Belermas Dienerschaft, die dort mitsamt ihrer Herrschaft
verzaubert sei, und die letzte, die das Tuch mit dem Herzen in ihren
Händen trage, sei Fräulein Belerma, die mit ihren Zofen viermal in der
Woche diesen feierlichen Umzug abhalte, wobei sie über Durandartes
Leiche und schmerzens eiches Herz Klagelieder sängen oder vielmehr
weinten. Wenn sie mir aber einigermaßen häßlich vorgekommen sei oder
doch nicht so schön, wie ihr Ruf sie schildere, so liege die Schuld an
den traurigen Nächten und noch traurigeren Tagen, die sie in dieser Verzauberung
verbringe, wie er dies an den breiten Ringen unter ihren Augen und an
ihrer kränklichen Gesichtsfarbe sehen könne; denn ihre Blässe und ihre
Augenringe hätten ihre Ursache nicht etwa in dem monatlichen Unwohlsein,
das bei Frauen regelmäßig vorkomme - sintemal es schon viele Monde, ja
selbst Jahre her sei, daß sie darunter nicht mehr zu leiden habe -,
sondern in der Qual, die ihr Herz empfinde ob des Herzens, das sie
unausgesetzt in ihren Händen halte und das ihr die traurigen Schicksale
ihres vom Glück arg mißhandelten Anbeters stets erneue und ins
Gedächtnis zurückrufe. Wenn das nicht wäre, so würde ihr an Schönheit,
Lieblichkeit und Anmut kaum die hohe Dulcinea von Toboso gleichkommen,
die in dieser ganzen Umgegend, ja in der ganzen Welt so gefeiert
sei. - (don)
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