H  errschaftsgefühl  Ich lutsche gerne den Schwanz eines Mannes. Damit wurde ich praktisch zur selben Zeit vertraut, als ich lernte, die Eichel mit zurückgeschobener Vorhaut zum anderen, dem unteren Eingang zu lenken. In meiner Naivität glaubte ich zuerst, das Lutschen sei etwas Abartiges. Ich kann mich noch erinnern, wie ich die ganze Sache einer Freundin erzählte, sie war zweifelnd und leicht angewidert, ich mimte die Gleichgültige, in Wahrheit war ich aber ziemlich stolz auf meine Entdeckung und meine Begabung, die Lage zu meistern. Diese Begabung ist schwer zu erklären, denn jenseits von irgendeinem Stadium der oralen Phase und bevor man großspurig mit einem vollzogenen Akt prahlt, den man anomal findet, gibt es eine heimliche Identifikation mit dem Glied, das man sich zu Eigen macht. Das Wissen, das man sich von den kleinsten Details der Oberfläche und seinen kleinsten Reaktionen durch die gleichzeitige Erkundung mit Fingern und mit Zunge aneignet, ist vielleicht dem Wissen überlegen, das der Besitzer dieses Schwanzes selbst hat. Daraus entsteht ein unbeschreibliches Gefühl der Herrschaft - eine kleine Vibration der Zunge, und schon bekommt man eine übermäßige Reaktion. Außerdem ist der Eindruck gefüllt zu werden, viel stärker, wenn man das Ding ganz im Mund hat als in der Scheide. Das vaginale Gefühl ist diffus, es strahlt aus, was darin ist, scheint zu verschmelzen, doch auf den Lippen, der Zunge und im Gaumen bis hin zur Kehle sind die süßen Berührungen der Eichel deutlich spürbar, gar nicht zu reden von der Tatsache, dass man am Ende das Sperma schmeckt. Kurz, man wird genauso erregt, wie man selbst erregt. Für mich bleibt jedoch geheimnisvoll, wie die obere Öffnung auf die untere Öffnung wirken kann. Wie kann die Wirkung des Lutschens am anderen Ende des Körpers empfunden werden, wie können die Lippen, die den Penis umschließen, ein so außerordentlich hartes Band am Scheideneingang bewirken? Wenn die Fellatio gut ist, wenn ich mir Zeit lasse und die Muße habe, meine Stellung anzupassen, den Rhythmus zu variieren, dann spüre ich, wie aus einer Quelle außerhalb meines Körpers eine Ungeduld entspringt und eine enorme Muskelkraft an diese nur vage vorgestellte Stelle am Rand des Schlundes strömen lässt, der mich über die Maßen öffnet, und sich dort konzentriert. Die Öffnung eines Fasses zum Bereifen.   - Catherine Millet, Das sexuelle Leben der Catherine M. München 2001    

 

Herrschaft Gefühl

 

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Beherrschung

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