err und Knecht   Die beiden Briganten Bellusci und Pinnolo wurden am Morgen des 2. Januar 1865 hingerichtet. Sie waren wie zwei Figuren aus einer Komödie von Goldoni. Bellusci, der unter den Bourbonen gedient hatte und eine gewisse Edukation besaß, war der Herr und Pinnolo der Diener.

Bellusci ließ sich von ihm die Zigarre anzünden, die Stiefel an- und ausziehen, das Bett machen, die Stiefel putzen, und Pinnolo gehorchte.

Getreu dem Rollenspiel war Beflusci seriös, gemessen, würdig und schien zu erwarten, daß man ihn, den »Herren«, nicht einfach hinrichten, sondern begnadigen würde. Pinnolo hingegen spielte den Zanni, wie der Spaßmacher in der venezianischen Kommödie genannt wird. Er spottete und lachte noch am Tag vor seinem Tod bis tief in die Nacht hinein, und als Bellusci nicht damit aufhörte, von Gnade zu phantasieren, antwortete er: »Aber gewiß doch! Morgen wird man uns die Gnade der Kugeln zuteil werden lassen!«

Als der Beichtvater ihm von den Qualen der Hölle erzählte, fragte er: »Warst Du schon dort? Oder woher weißt Du das alles? Schlimmer als hier kann es dort auch nicht sein.« Bellusci bekam einen Wutanfall und schrie: »Pinnolo! Ich habe Dich körperlich zugrunde gerichtet. Jetzt will ich nicht auch noch die Ursache für den Verlust Deiner Seele sein! Gott lebt! Gott erwartet uns! Bereue!«

Pinnolo wurde gefragt, ob er eine Frau hinterlasse. »Ich habe keine Frau«, antwortete er, »und deshalb kann ich getrost sterben, weil ich nicht Gefahr laufe, gehörnt zu werden!« Bei diesen Worten wechselte Bellusci die Farbe und fragte wütend: »Willst Du damit vielleicht sagen, daß ich gehörnt werden soll? Meine Verwandten werden schon dafür sorgen, daß meine Frau mir den schuldigen Respekt erweist!«

In der Nacht vor ihrer Hinrichtung rauchten die zwei Briganten sieben Zigarren und schliefen drei Stunden.   - Peter O. Chotjewitz / Aldo de Jaco, Die Briganten. Aus dem Leben süditalienischer Rebellen. Berlin 1979

Herr und Knecht (2)  Bari, Zauberer, wird man aus Berufung und häufig nach einer Offenbarung, deren Hauptrhema ein Pakt ist, den der bari mit bestimmten Mitgliedern einer äußerst komplizierten Gemeinschaft bösartiger oder nur gefürchteter Geister geschlossen hat, Geister, die zum Teil himmlischer Natur sind (und dann die astronomischen und meteorologischen Erscheinungen kontrollieren), zum Teil der tierischen oder unterirdischen Welt angehören. Diese Wesen, deren Zahl regelmäßig mit den Seelen der verstorbenen Zauberer anwächst, sind verantwortlich für den Lauf der Gestirne, für Wind, Regen, Krankheit und Tod. Man beschreibt sie in ganz verschiedener, aber stets furchterregender'Gestalt: über und über behaart und mit durchlöchertem Schädel, dem Tabakqualm entweicht, wenn sie rauchen; fliegende Ungeheuer, aus deren Augen oder unmäßig langen Haaren und Fingernägeln der Regen tropft; einbeinige Wesen mit einem dicken Bauch und dem pelzigen Körper von Fledermäusen.

Der bari ist asozial. Die persönliche Beziehung, die ihn mit einem oder mehreren Geistern verbindet, verleiht ihm Privilegien: übernatürliche Hilfe, wenn er allein auf die Jagd geht; die Fähigkeit, sich in ein Tier zu verwandeln, sowie die Kenntnis der Krankheiten und prophetische Gaben. Das auf der Jagd getötete Wild sowie die ersten Gartenfrüchte sind ungenießbar, so lange er seinen Anteil nicht erhalten hat. Dieser Anteil stellt den mora dar, den die Lebenden den Geistern der Toten schulden; in diesem System spielt er also die umgekehrt symmetrische Rolle wie die Totenjagd. Aber der bari wird auch von seinem oder seinen Schutzgeistern beherrscht. Diese benutzen ihn, urn sich in ihm zu verkörpern; dann verfällt der bari, ein Gefäß des Geistes, in Trance und Zuckungen. Als Gegenleistung für seinen Schutz übt der Geist über den bari eine ständige Kontrolle aus; er ist der wahre Eigentümer nicht nur der Güter, sondern auch des Körpers des Zauberers. Dieser ist dem Geist gegenüber verantwortlich für seine zerbrochenen Pfeile, sein in Scherben gegangenes Geschirr, für seine abgenagten Fingernägel und seine abgeschnittenen Haare. Nichts davon darf zerstört oder weggeworfen werden, und so schleppt der bari den Abfall seines vergangenen Lebens mit sich herum. Der alte juristische Spruch, daß das Tote nach dem Lebendigen greift, erhält hier einen schrecklichen und unvorhergesehenen Sinn. Zwischen dem Zauberer und dem Geist herrscht ein so eifersüchtiges Verhältnis, daß man nie weiß, wer von den beiden Vertragspartnern letztlich der Herr und wer der Diener ist.  - (str2)

Herr und Knecht (3)  Plato konnte die Dichter nicht leiden, die ihm zufolge Erfinder unnützer Fiktionen waren und die Ruhe und Ordnung seiner Republik störten, aber nach Plato verbann^ ten verschiedene Philosophen den Schriftsteller vollständig aus ihren gesellschaftlichen Entwürfen und Vorstellungen. Die Haltung, die Kunst nur dann zu verherrlichen und den Künstler nur dann zu ehren, wenn er bereit ist, in der Gesellschaft eine dienende oder untergeordnete Rolle zu spielen, ist in der Geschichte zwar immer wieder anzutreffen, aber erst in der Renaissance erreicht das Verhältnis Schriftsteller - Herr (Diener — Herr) ein stabiles Gleichgewicht und wird in exemplarischer Weise formuliert: Geld und Ruhm für jenen, der sich den Wünschen und Launen seines Auftraggebers anzupassen weiß. Die Blüte der Kunst und Literatur während der Renaissance ließ die perfide Vorstellung entstehen, die ideale Stellung des Schriftstellers sei jene des direkt von der Macht Abhängigen.  - (gesp)
 
 

Hierarchie Herr Machtverhältnisse

 

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