err Lustig   Die Geschäftsleute hatten keine Ahnung, worum es ging, und platzten vor Neugier. Nach einigen Drinks hob der Leiter an: »Meine Herren, hier handelt es sich um eine dringende Angelegenheit, die absoluter Geheimhaltung obliegt. Die Regierung sieht sich gezwungen, den Eiffelturm abzureißen.« Die Schrotthändler lauschten in atemloser Stille, als der Amtsleiter erklärte, daß der Turm, wie kürzlich in den Zeitungen zu lesen war, dringend saniert werden müsse. Ursprünglich sollte er nur eine begrenzte Zeit stehen (während der Weltausstellung 1889), mittlerweile waren die Unterhaltskosten ins Unermeßliche gestiegen. Seine Sanierung würde die Regierung mehrere Millionen kosten - ein Unding in diesen finanziellen Krisenzeiten. Zudem empfanden viele Pariser den Turm als Schandfleck und wären ihn nur allzu gern los. Und selbst die Touristen würden sich mit der Zeit daran gewöhnen, daß er nur noch auf Postkarten und Fotos existierte. »Meine Herren«, sagte Lustig, »Sie haben das Privileg, der Regierung ein Angebot für den Eiffelturm zu machen.«

Lustig überreichte jedem von ihnen - auf Regierungspapier - Listen mit Angaben zu Gewicht und Material des Turms. Ihre Augen sprangen förmlich aus den Höhlen, als sie sich ausrechneten, welcher Gewinn mit dem Alteisen zu machen sei. Danach führte sie Lustig zu einer Limousine, die sie zum Eiffelturm brachte. Dort zeigte er kurz einen offiziellen Ausweis, führte die Händler herum und würzte den Rundgang mit allerlei Anekdoten. Anschließend bedankte er sich und bat die Herren, ihr Angebot innerhalb von vier Tagen in seiner Suite abzugeben.

Einige Tage nach Ablauf dieser Frist erhielt einer der fünf, ein Monsieur R, die Mitteilung, sein Angebot hätte den Zuschlag erhalten. Um das Geschäft zu besiegeln, möge er binnen zwei Tagen mit einem beglaubigten Scheck über 250000 Francs (heute fast l Million Euro), einem Viertel des Gesamtpreises, ins Hotel kommen. Dort würden ihm die Dokumente, die ihn als Eigentümer des Eiffelturms auswiesen, übergeben werden. Monsieur P. war begeistert - er würde in die Geschichte eingehen als der Mann, der das ungeliebte Wahrzeichen gekauft und niedergerissen hätte. Doch als er mit dem Scheck in der Suite ankam, stiegen Zweifel an der Angelegenheit in ihm auf. Wieso fand das Treffen in einem Hotel und nicht in einem Gebäude der Regierung statt? War das Ganze ein Schwindel? Ein Ganoventrick? Während Lustig sich über die Arrangements zur Verschrottung ausließ, zögerte P. und erwog auszusteigen.

Doch plötzlich merkte er, daß sich Lustigs Ton geändert hatte. Statt über den Turm sprach jener nun über Privates, beklagte sich über sein niedriges Gehalt, erzählte, wie sehr sich seine Frau einen Pelzmantel wünsche, wie deprimierend es sei, so hart zu arbeiten und nicht dafür gewürdigt zu werden. Monsieur P. dämmerte, daß ihn dieser hohe Regierungsvertreter um ein Bestechungsgeld anging. Hierauf reagierte P. nicht mit Empörung, sondern mit Erleichterung. Nun war er sich sicher, daß Lustig echt sein mußte, denn bei allen seinen vorherigen Begegnungen mit der französischen Bürokratie hatte er die Erfahrung gemacht, daß letztlich immer Schmiergeld verlangt wurde. Sein Vertrauen war wiederhergestellt. Er steckte Lustig erst einige tausend Francs in bar zu, dann übergab er ihm den beglaubigten Scheck. Als Gegenleistung erhielt er mehrere Dokumente, unter anderem eine eindrucksvolle Kaufbestätigung. Er verließ das Hotel und träumte von den Profiten und dem Ruhm, die vor ihm lagen.   - (macht)

 

Herr

 

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