Derbstnachmittag   Die Ausschaltung des logischien Sinnes in der Kunst ist nicht die Erfindung von uns Malern. —  Das, was die Logik unserer normalen Handlungen und unseres normalen Lebens ausmacht, ist ein ständiger Rosenkranz aus Erinnerungen und Beziehungen zwischen den Dingen und uns und umgekehrt. [Man denke beispielsweise: ein Mann sitzt in einem Zimmer mit Vogelbauer, Büchern . . . alles scheint ganz gewöhnlich, weil die Erinnerungskette alles logisch erklärt.] Aber nehmen wir an, daß für einen Augenblick und aus unerklärbaren und vom Willen unabhängigen Gründen ein Glied dieser Kette bricht, wer weiß, wie ich den sitzenden Mann, den Vogelbauer, die Bücher sehen würde; welch erschrecktes Staunen ... die Szene wäre indessen nicht verändert, ich wäre es, der sie unter einem anderen Blickwinkel sehen würde, und da sind wir beim metaphysischen Aspekt der Dinge. -  Das wahrhaft Neue, was NIETZSCHE entdeckt hat, ist eine fremdartige und tiefe, grenzenlos mysteriöse und einsame Poesie, die auf der Stimmung eines Herbstnachmittags beruht, wenn das Wetter klar ist und der Schatten länger als im Sommer. Diese außerordentliche Erfahrung kann man machen in den italienischen und einigen anderen Mittelmeerstädten wie Nizza; aber die italienische Stadt par excellence, wo das Phänomen erscheint, ist Turin.  - Giorgio de Chirico, nach: Walter Hess (Hg.), Dokumente zum Verständnis der modernen Malerei. Reinbek bei Hamburg 1964 (rde 19)
 

Herbst Nachmittag

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