ellseherin   Mrs. Daisy knöpfte sich die Bluse auf und holte ihre rechte Brust hervor, auf deren Spitze sie ein Weihrauchkorn legte. Ein Tropfen Wein quoll aus dem Busen.

Aus dem Nebenzimmer trottete ein Tapir herbei und legte sich zu Füßen der Wahrsagerin auf den Boden. Die schlitzte ihm mit einem Taschenmesser von einem Ende zum anderen den Schwanz auf und förderte aus ihm drei kleine Vogeleier zutage: das erste braun, das zweite grün und das dritte purpurrot Aus dem braunen Ei kam eine kaum wahrnehmbare Feder hervor; das grüne Ei wurde aufgeschlagen, und drei Wanzen krochen heraus, die eine winzig kleine französische Nationalflagge trugen. Aus dem purpurnen Ei schließlich zog die Hellseherin einen Spiegel hervor, der so groß war wie eine junge Erbse und in den sie eine Weile aufmerksam hineinschaute, bevor sie erschrocken zurückwich und mit dumpfer Stimme sagte:

„Sie haben den Papst in Ihrer Brust." - (per)

Hellseherin (2)

Dieser Dame ist eine seltene Veranlagung eigen. Sie ist hellfühlend und hellsehend, und das Bild hält diesen spontan auftretenden Zustand fest. Die Augen sind fast, aber nicht völlig geschlossen, und die Energie der Nerven und aller Sinne ist nach innen gelenkt. Sie schläft aber nicht, sondern ist, obwohl mit den Sinnen von der Außenwelt abgewandt, innerlich ganz außerordentlich wach und gespannt; sie sieht und hört nach innen.

Dieser ungewöhnliche Vorgang spiegelt sieh deutlich im Gesicht. Die Partie über dem Augapfel birgt das feinste periphere Empfinden des Körpers (wenn man das Oberlid hebt und diese Stelle zwischen Augapfel und Lid freilegt, so verursacht schon Lichteinfall körperlich spürbaren Schmerz). Das Senken des Oberlides und das Heben der Braue offenbart, daß diese Stelle (nach Huter der positive Heliodapol) besonders sensibilisiert ist und wahrscheinlich findet der Austausch des feinsten Nach- und Vorfühlens in Vergangenheit und Zukunft und außerhalb des gewöhnlichen Wahrnehmungsvermögens liegender gegenwärtiger Vorkommnisse über diesen Pol statt.

Im Mittelgesicht vom Nasendach seitwärts nach den Wangen zu, liegt eine ganz feine und milde Strahlung, die sich zum Auge und sichtbaren Oberlid hin fortpflanzt und das außerordentlich feine seelische Empfinden spiegelt. Die ganz eigenartig hochgezogene Braue weist auf die gespannte und gesteigerte, aber nach innen gerichtete Aufmerksamkeit hin; der Zug geht nach den inneren Augenecken und zur dadurch angespannten Nasenwurzel und damit zur ebenfalls nach innen gesteigerten geistigen Konzentration. Kopf und Körperhaltung sind gleichlaufend typisch; alles ist ein äußerst gesteigertes Fühlen und Empfinden bei sonst völlig negativem Verhalten. Der momentane Zustand und Gesichtsausdruck ist echt und nichts daran ist gemacht. Was die Dame in solchem Zustand sah, hörte oder fühlte, hat sich nicht einmal, sondern im Laufe der Jahre immer wieder als echtes Hellgesicht erwiesen. Man findet die beschriebenen Züge ähnlich an Darstellungen biblischer Propheten durch alte Meister.

  - Physiognomik und Mimik. Analytische Geichtsausdruckstudien von und nach Carl Huter. Bearb. und Hg. Siegfried Kupfer. Schwaig bei Nürnberg 1964


Hellsicht Zweites Gesicht

Oberbegriffe
zurück 

.. im Thesaurus ...

weiter im Text 

Unterbegriffe

Verwandte Begriffe

Synonyme