Das arme Geschöpf gab sich den Tod in der ersten Oktobernacht. Da ward weithin in den Wäldern und oben in den Wolken ein großes Wehgeschrei vernommen. Es klang wie das Wehklagen aller Liebesgeister: »Wehe! Die große Lust ist tot!« wie einst die heidnischen Götter wehklagten, als der Heiland aller Menschen auf Erden erschien. Die flüchteten damals hinauf in die Himmel und jammerten:
»Der große Pan ist tot!« welches klägliche Geschrei von etlichen Schiffern auf dem Euböischen Meer vernommen und von einem der Kirchenväter überliefert wurde.
Frau Imperia schied dahin, ohne an Schönheit eingebüßt zu haben, so große Sorge hatte Gott getragen, einen Frauenleib ohne Makel und Fehl zu schaffen. Sie hatte noch im Tode, so wird berichtet, eine wundersam frische Hautfarbe, eine Wirkung der eben genossenen Lust, deren flammengeflügelter Gott weinend an ihrer Seite kauerte.
Ihr Gatte trauerte um sie, wie nie zuvor ein Mann um sein Weib getrauert
hat. Doch ahnte er nicht, daß sie gestorben war, um ihn von einer unfruchtbaren
Frau zu erlösen, und der Arzt, der den Leichnam einbalsamierte,
ließ kein Wort über die Todesursache verlauten. Die selbstlose Tat ward erst
sechs Jahre nach der Heirat des Ritters mit dem Fräulein von Montmorency offenbar,
als sie ihm in ihrer Herzenseinfalt vom Besuch der schönen Imperia erzählte.
Von dem Tage an lebte der arme Ritter in düsterer Schwermut dahin und starb
schließlich, weil er die Erinnerung an jene Liebeswonnen nicht aus seinem Herzen
verbannen konnte, die ihm ein unerfahrenes Ding wie seine zweite Frau nie und
nimmermehr zu ersetzen vermochte. - Honoré de Balzac, Tolldrastische
Geschichten. München 1963 (zuerst 1853)
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