Daut können, Aus seiner    dann alles geendet sei! Einen Gott gefordert und wieder entlassen, so wie man eine Rinde aufhebt und wegwirft? -So nicht? - Wie dann? - Arglos arger Silen, deine Reue ist auch nur deine Überhebung: Einst: daß du den Gott besiegen werdest; nun: daß du ihm gebietest abzustehn! Ach, unverändert das alte Wesen: Könne der Silen denn nicht aus seiner Haut?

Die Klingen nach ihrem Armauf-Armab drangen durch die Schulterschwarten über die Kinnladen und Schläfen, um sich, der Grenze des schütteren Haares folgend, stumpfwinklig im Scheitel zu vereinen.

Danach gruben sie Steiß und Rücken heraus.

Das Heulen, längst Wimmern geworden, zog die Kehle hinunter, hundehart, dumpfe Schwingung der Gurgel, und in den Höhlen des Waldes begannen, da die Lyra nun schwieg und die Messer den Balg von den Wirbeln kerbten, die Nymphen für den Geschundenen zu flehen, die lieblichen Schwestern der Satyrn und Silene, die auch die Schwestern der Musen sind.

Wehe dem Fleisch, so klagten die hilfreichen Frauen, müsse es immer leiden, daß es nicht Geist sei, und Marsyas Apollon nicht gemäß? Sei dies denn ein Kampfpaar: Silen und Gott? Könne solch ein geschwänztes Einfaltsgeschöpf einen Gott wie Apollon denn überhaupt fordern, und bestätige sich die Gottheit denn darin, ihren rasch Unterlegenen brüllen zu machen? Ach, Gnade dem Fleisch, dem arglos armen, seine Lust sei so flüchtig wie seine Süße, und wenn man es prüfe, sei es nur Schmerz! Doch den vollbrächten auch Ratten und Wespen, ja Läuse und Dornen, und noch der Staub! Wolle der Himmlische mit denen sich messen? Das heulende Klaffen des nassen Fleisches - wäre dies das Opfer, das dem Reinsten gemäß sei? Dieser fade Blutdunst das Mahl seiner Nüstern, dies Wimmern die Speise seiner Ohren, dieses Zucken glitschiger Fibern sein Augenschmaus? Sie dürften nicht rechten, doch sie wagten zu bitten: Er sei doch der Himmlische, der Heilung bewirke: Wäre ihm da nicht Gnade gemäß?

Flüsterndes Flehen, sie zeigten sich nicht, aber das Moos duftete ihr Verlangen.

Das Heilende, holde Schwestern, ist das Erkennen, doch es kommt nicht darauf an, daß Marsyas erkennt, und was geheilt werden muß, ist nicht sein Balg.

Seufzender Wald.

Die Musen lauschten.

Das Werk war inzwischen so weit gediehen, daß Hinterschädel, Rücken und Steiß und, von der Leistenschräge bis zu den Hufen, die Beine von der Decke abgeschält waren, doch da sowohl Balg wie Fleisch in den Hufen vereint blieben, fiel die Schwarte nicht über des Marsyas Kopf, den, um sich dem Gesicht zuzuwenden, die knienden Skythen nun auf ihre Oberschenkel legten.

In diesem Moment kreuzten sich beider Blicke: der des Silens und der des Gottes.

Das Auge des Geistes, sprach die Lyra, fange erst an, scharf zu sehen, wenn das leibliche von seiner Schärfe verliere, und da dies für den Besiegten nun nahe rücke, stelle sich ihm vielleicht auch jenes ein. Der Marsyas sehe jetzt schon genauer: sich und den Gegner als nicht gleich geartet und nicht mit demselben Maß zu messen; er erkenne sie zwar nur als Geschundnen und Schinder, das dringe nicht tief in beider Wesen, aber es weise auch einen Weg. - Wer Apollon sei, brauche Marsyas nicht mehr zu begreifen, es genüge ja, daß es die Musen erfuhren; was der Silen sei, zeige sich ihnen, und dies, da das Auge seines Leibes erlösche, vielleicht sogar noch dem Marsyas.  -  Franz Fühmann, Marsyas, In (fue)

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