ampelmann   18. DEZEMBER. Ich habe heute ein manifest auf das machen von hampelmännern verfaßt [La grande autorisation du noble Pantin].

Das machen von hampelmännern ist eine sehr alte, sehr vergessene kunst. Ihre anfertigung ist leicht wie Irma la Douce, sie ist unschuldig lasziv und leichter als eine feder, sie ist ein kind, das mit den nackten armen und beinen seiner zelluloidpuppe spielt, eine süße, traumschwere Vorstellung von etwas noch unbekanntem, wie etwa beim ausreißen der puppenarme und beine, welche man dann unter dem kopfkissen versteckt.

Das verfertigen von wirklichen hampelmännern ist ein nur wenigen bekanntes geheimnis. Hampelmänner sind aus allem zu machen, kein material ist zu kostbar oder zu minderwärtig, selbst aus nichts andrem als Straußenfedern kann man einen bauen.

Hampelmänner sind zweigeschlechtlich, sie sind eine einzige paarung in sich selbst. Hat man einen hampelmann gebaut oder verfertigt, so trägt man ihn zum nächstbesten fotomaton, wo man ihn fotografieren läßt. Ein erschwingliches verfahren, denn für vier, meist sehr scharfe, bilder, bezahlt man 5 österreichische Schillinge oder eine DM oder einen NF. Schweden ist mit 2.00 kronen relativ teuer.

En rêvant des pantins: Träume, in denen hampelmänner vorkommen, sind angenehm, man trägt sie vorne an der brust wie die auszeichnungen sowjetischer militärs, einer bedeckt zur guten hälfte seinen nächsten. Sieben sind eine passende zahl. Man träumt, man mache mit ihnen in menschenüberfüllten parks vorstellungen, man betrachtet die unterschiedlichen reaktionen des zufallspublikums, ganz kleine kinder läßt man die lustigsten betasten, die ätherischen trägt man lieber an langen runden stäbchen, polizisten bekommen einzelne fotos als bestechung. Vor den vögeln und schmetterlingen des parks aber heißt es auf der hut zu sein, denn die führen silberdrähte im sinn. Besonders schöngelungene hampelmänner sind meistens aus transparentem kunststoff verfertigt. Solche beklebt man mit negativkopien, die gewächse und pflanzen zeigen. Sie sind in den grundsätzen ihres wesens melancholisch und eignen sich sonderlich als unterbau für moderne argentinische tangos. El tiempo viejo que xoro e que nunca volvera.... Die große autorisation des Hampelmannes steht uns also [wie ein fuchs, der sich zum einbrechen in den nachtigallenstall anschickt] bevor. - (hca)

Hampelmann (2)

Hampelmann (3)


 Und wenn du keinen Engel kannst,
dann lies die Schwarze Messe
und zeig uns, wie der Teufel tanzt:
Vivere non necesse!

- Peter Rühmkorf, Kleine Fleckenkunde. 1988 (Insel-Bücherei 1082)

Hampelmann (4)  Man  hat  die Leiche mit einer Plane bedeckt. Zwei Polizisten halten 'ne Art Totenwache. Mein persönlicher Flic, der hin und wieder mal denkt, hebt mit theatralischer Geste die Plane an, so als müßte der Anblick des Toten irgendeine bestimmte Reaktion bei mir hervorrufen. Die Menschenmenge kommt in Bewegung.

Der verrenkte, krumme Hampelmann war vorher ein gutaussehender Mann von rund vierzig Jahren. Elegant gekleidet, grauer Anzug und schwarzgrau karierter Übergangsmantel. Seine Schuhe stammen von einem guten Schuster. Bei seinem Sturz in die Tiefe hat er wohl Bekanntschaft mit einer Schiene oder einem Stahlträger gemacht. Der Aufprall auf das Pflaster der Place de la Nation hat den Rest besorgt: sein Gesicht ist weder vollständig noch hübsch anzusehen. Das wenige, das man noch erkennen kann, erinnert mich an nichts und niemand. Ich wußte, daß ich den Kerl nie gesehen hatte. Jetzt bin ich mir völlig sicher. Um mein Gewissen zu beruhigen, beuge ich mich über das übel zugerichtete Gesicht. Zum Kotzen. Als ich mich wieder aufrichte, fällt mein Blick auf seine Hand. Sie liegt auf seinem Bauch, so als betaste sie ihn ängstlich. Na ja, mit dem Blinddarm wird er jetzt keinen Ärger mehr kriegen! - Léo Malet, Kein Ticket für den Tod. Reinbek bei Hamburg 1992 (zuerst 1957)

Hampelmann (5)  In Gedanken sah er sich selber in seiner weißen Uniform als einen Hampelmann, an dessen Schnüren die unerbittliche alte Dame und die unerbittliche junge Dame abwechselnd zogen. Wie konnte es nur sein, daß sie alles so tödlich ernst nahmen? - (blix)

Hampelmann (6)

Hampelmann

 - Félicien Rops

Mann Marionette
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