Er saß kerzengerade; die Augen waren weit aufgerissen und unbeweglich, die Kinnladen verkrampft, der Mund zusammengepreßt ... Wut? Enttäuschung? Verzweiflung? Sie wußte es nicht. Sie beugte sich vor, um die Zigarette in dem Aschenbecher an der Rückseite des Vordersitzes auszudrücken.
Sie fühlte mehr als sie sah, wie die Hand sich näherte. Sie spürte sie an ihrem Hals und war im Begriff, sich ihm lächelnd zuzuwenden, als die Hand ihre silberne Halskette packte. Sie wollte protestieren, ihm sagen, daß er die Kette zu eng zusammenziehe, aber da war es schon zu spät. Die Hand riß die Kette mit einem Ruck ganz eng zusammen. Sie konnte sich nicht wehren. Sie konnte nicht einmal schreien. Sie schwamm in rotem Nebel. Und dann wurde alles schwarz.
Er saß da, den Arm ausgestreckt, die Hand umklammerte die silberne Kette wie das Halsband eines bissigen Hundes. Nach einer Weile lockerte er den Griff. Als sie vornüber kippte, hielt er sie an der Schulter und setzte sie wieder aufrecht. Er wartete. Dann öffnete er vorsichtig die Wagentür und spähte hinaus. Als er sich vergewissert hatte, daß niemand zu sehen war, stieg er aus, beugte sich in den Fond, nahm sie auf die Arme und holte sie heraus. Ihr Kopf fiel schlaff zurück.
Er schaute
sie nicht an.
Mit einer Hüftdrehung
schlug er die
Tür zu. Er
trug sie zur
niedrigsten
Stelle der
Brüstung, die
knapp neunzig
Zentimeter
hoch war. Er
lehnte sich
hinüber und
versuchte,
sie drüben
vorsichtig
auf dem Gras
hinzusetzen,
aber sie war
zu schwer und
entglitt seinen
Armen. Er tastete
in der Dunkelheit
umher, um ihr
die Augen zuzudrücken,
fühlte jedoch
nur ihr Haar.
Es hatte wohl
keinen Sinn,
wenn er sie
umzudrehen
versuchte.
- Harry Kemelman,
Am Freitag
schlief der
Rabbi lang.
Reinbek bei
Hamburg 1966
(rororo thriller
1090, zuerst
1964)
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