Dalbzeug    «Schon heute kann man füglich sagen, ist die Maschine ein würdiger Zwilling des weiland Goldenen Kalbes geworden, denn wer sein Kind zu Tode quält, bekommt höchstens 14 Tage Arrest, wer aber irgendeine alte Straßenwalze beschädigt, muß drei Jahre ins Loch.»

«Die Herstellung von derlei Triebwerken ist aber auch wesentlich kostspieliger», warf Herr Doktor Haselmayer ein,

«Im allgemeinen, gewiß», gab Herr Graf du Chazal höflich zu. «Doch das ist sicherlich nicht der einzige Grund. Das Wesentliche dabei scheint mir zu sein, daß auch der Mensch genaugenommen nichts anderes darstellt als ein halbfertiges Ding, das dazu bestimmt ist, dereinst selbst ein Uhrwerk zu werden, wofür deutlich spricht, daß gewisse, keineswegs nebensächliche Instinkte, wie zum Beispiel: sich behufs Veredelung der Rasse die richtige Gattin zu wählen, bei ihm bereits ins Automatenhafte versunken sind. Was Wunder, daß er in der Maschine seinen wahren Sprößling und Erben sieht und im leiblichen Nachkommen den Wechselbalg.

Wenn die Weiber Fahrräder oder Repetierpistolen gebären würden statt Kinder, sollten Sie mal sehen, wie flott da plötzlich drauflosgeheiratet würde. Ja, im güldenen Zeitalter, als die Menschen noch weniger entwickelt waren, da glaubten sie nur das. was sie <denken> konnten, dann kam allmählich die Epoche, wo sie nur das glaubten, was sie fressen konnten - aber jetzt erklimmen sie den Gipfel der Vollkommenheit, das heißt: Sie halten bloß das für wirklich, was sie - verkaufen können. Sie nehmen dabei, weil es im vierten Gebot heißt: Du sollst Vater und Mutter ehren usw. als selbstverständlich an, daß die Maschinen, die sie in die Welt setzen und mit dem feinsten Spindelöl schmieren, derweilen sie selbst sich mit Margarine begnügen, ihnen die Mühen der Erzeugung tausendfach vergelten und Gluck m jeder Form bringen werden; nur vergessen sie ganz: Auch aus Maschinen können undankbare Kinder werden. In ihrem Vertrauensdusel finden sie sich mit dem Gedanken ab, die Maschinen seien nur tote Dinge, die auf sie nicht rückwirken und die man wegwerfen könne, wenn man sie satt hat; ja Schnecken!

Haben Sie schon mal eine Kanone beobachtet. Schätzbarster? Soll die vielleicht auch <tot> sein? Ich sage Ihnen, nicht einmal ein General wird so liebevoll behandelt! Ein General kann einen Schnupfen bekommen und kein Hahn kräht danach, aber die Kanonen kriegen Schürzen um, damit sie sich nicht erkälten - oder <rosten>, was dasselbe ist - und Hüte auf, daß es ihnen nicht hineinregne.

Gut, es ließe sich einwenden: Die Kanone brüllt nur, wenn sie mit Pulver vollgepfropft ist und das Zeichen zum Abfeuern gegeben wird, aber brüllt denn ein Tenorist nicht auch erst, wenn das Stichwort fällt, und selbst dann nur, wenn er genügend mit Musiknoten angefüllt ist? Ich sage Ihnen: Im ganzen Weltraum gibt es nicht ein einziges Ding, das wirklich tot wäre.»   - Gustav Meyrink, Der Kardinal Napellus. Stuttgart 1984 (Bibliothek von Babel Bd 18, Hg. Jorge Luis Borges)

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