aie  Ich bin der Hai, mich kennt jeder. Aber nur sehr wenige können sich rühmen, mir im Meer begegnet zu sein. Meine Zähne erneuern sich endlos, und meine beweglichen Kiefer können Kräfte bis zu drei Tonnen pro Quadratzentimeter entwickeln. Zum Teufel also mit diesen halbgebildeten Fischen, die den ganzen Tag lang mit Lektüre in den Trümmern der alten versunkenen Schiffe verbringen. Ich pfeife auf sie, denn ich bin der Schrecken, die primitive, bestialische Gewalt, die alles angreift, Symbol des Todes für alles, was sich in meinem Umkreis regt. Ich brauche nichts zum Lesen. Ich muß noch nicht einmal intelligent sein. Ich bin - erlauben Sie mir, auf diesem Punkt zu beharren - die einzigartige Summe aller Unbarmherzigkeiten und der lebendige Beweis, daß in der Natur kein Platz ist für das Mitleid. Meine Grausamkeit ist mein Ruhm.

Laß dir sagen, gebe ich ihm zu bedenken, daß diese Grausamkeit, ja sogar all deine Zähne dir wenig nützten, wären da nicht die sensorischen Elemente, die du unter der Haut des Kopfes und des Maules besitzt. Sie sind es, die dir die Temperatur und die Schwingungen des Wassers anzeigen. Sie sind es, die dir als Kompaß bei deinen Wanderungen dienen. Ja, ja, mein schrecklicher Freund, sie erlauben dir, kraft ihrer Eigenschaft als elektromagnetisches Sende- und Empfangssystem, die unglückselige Scholle zu lokalisieren, die so vorsichtig war, sich vor deiner Ankunft im Sand zu vergraben. Rühme dich also nicht nur deiner Zähne und deiner Grausamkeit. Brüste dich nicht, eine blinde Naturgewalt zu sein, die nicht einmal irgendeiner Motivation bedarf. Selbst du brauchst trotz deiner ganzen Stärke jene Art Intelligenz, mit deren Hilfe du die elektrischen Felder wahrzunehmen vermagst, die deine Opfer aussenden. Diese Intelligenz, nicht deine wilde Grausamkeit, weist dir den Weg, der zur Beute führt. Und ich muß dir noch etwas sagen:

hättest du in diesen versunkenen Dreiruderern gelesen, die du so sehr verachtest, dann wüßtest du, daß die Kraft ohne Intelligenz von ihrem eigenen Gewicht erdrückt wird. - (tom)

Haie (2) Das Warten gab uns in unserm Boote eine Langeweile, die je länger, je drückender für uns wurde. Unter meinen Gefährten befand sich ein englischer Matrose, der sich bereit erklärte, an Land zu schwimmen und die säumigen Neger herbeizuholen. Hätte ich auch nicht andre Gründe gehabt, ihm meine Zustimmung zu versagen, so würde mich doch schon die Furcht, daß ein Hayfisch ihn packen könnte, dazu bewogen haben. Inzwischen gab es vergeblichen Harrens immer mehr; unser Mißmuth stieg, und der Engländer erbot sich zu wiederholten Malen, das, wie er vermeynte, ganz unbedenkliche Abentheuer zu bestehen. Mein Kopfschütteln dämpfte indeß seine Begierde nicht, bis ich endlich, mehr ermüdet von seinem stetem Andringen, als es billigend, und zugleich hoffend, daß ja nicht augenblicklich ein solches Ungethüm in der Nähe lauern werde, ihm nachließ, zu thun, was er nicht lassen könnte.

Alsobald warf der Mensch, frohen Muthes, seine Hemde von sich, sprang über Bord und steuerte schwimmend dem Lande zu. Allein kaum hatt‘ er sich zwei Klafter weit vom Boot entfernt, so sahen wir ihn auch bereits von einem solchen gefürchteten Thiere umkreiset, bis es sich endlich, nach seiner Gewohnheit, auf den Rücken warf, seine unglückliche Beute ergriff und mit derselben davonzog. Bald ragte der Kopf, bald Hand oder Fuß des armen Schwimmers über die Wellen empor; endlich aber verschwand er ganz aus unserm Gesichte, die wir Zeugen dieses gräßlichen Schauspiels hatten seyn müssen, ohne helfen und retten zu können. Daß es, als ich wieder an Bord kam, an einem tüchtigen, aber auch verdienten Verweise von meinem Kapitain nicht fehlte, kann man sich wohl vorstellen. Gott wird mir jedoch meine Sünde vergeben, da er am besten weiß, daß ich dies Unglück nicht aus Muthwillen, sondern gänzlich wider meinen Wunsch und Willen verschuldet!

Merkwürdig ist gleichwohl die Versicherung der Neger, die auch durch den Augenschein bestätigt wird, daß Keiner Ihresgleichen von der Gefräßigkeit dieser Haye etwas zu fürchten habe; so daß man wohl schließen muß, die schwarze Farbe derselben habe etwas, wodurch sie abgehalten werden, jene anzufallen. -  Lebensbeschreibung des Seefahrers, Patrioten und Sklavenhändlers Joachim Nettelbeck, von ihm selbst aufgezeichnet. Nördlingen 1987 (Die Andere Bibliothek 35, zuerst 1825)

Haie (3)  Man sieht  auch mitten im teuflischen Qualm und Getümmel einer Seeschlacht die Haie sehnsüchtig zum Deck des Schiffs hinaufschielen, wie hungrige Hunde um einen Tisch, auf dem rohes Fleisch zerlegt wird; was man ihnen an Toten vorwirft, wird sogleich gierig hinuntergewürgt, und während sich derart die Schlächter an Deck gegenseitig bei lebendigem Leibe zerlegen, mit vergoldeten und bequasteten Vorlegemessern, hacken die Haie gleichsam unter dem Tisch mit dem wie von Edelsteinen blitzenden Gebiß futterneidisch an den toten Leibern herum, wobei man das Ganze auch umkehren könnte und es bliebe doch wesentlich das gleiche, nämlich ein bedenklich haifischmäßiges Tun und Treiben allerseits.  - (mob)

Fisch Raubtier

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Unterbegriffe

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VB
Zähne

Synonyme