ahnenfeindschaft  Eines Samstags in der Frühe, ich war krank und hütete das Zimmer - wie aber konnte es nur geschehen? längst war es ihm untersagt worden - von seinem offenen Federmantel umweht, klaffternden Fittichs und stolzgereckten Hauptes, gleich einem Adler mit feuriger Krone, mehr denn je von Leben und Schönheit strahlend, Zeus selber in Vogelgestalt, Fifiot der Prächtige, im Eilschritt war er die Treppe heraufgestürmt, hatte mit dem Brustbug die Türe aufgestoßen, und erscheint nun vor mir, wie ein tiefgekränkter König, ohne seiner Hoheit etwas zu vergeben, einen Freund um Hilfe angeht. Schon schwebte er über meinem Bett und flüchtete in meine Arme, die sich wie seine entfalteten Flügel weit auftaten; schon schmiegte sein Kopf sich mit geschlossenen Augen zwischen meinen Hals und meine nackte Schulter. Er, der seit einigen Tagen noch mißtrauischer geworden war, ergab sich ganz und gar, ließ sich wiegen, von offenkundiger Angst überwältigt, einer tragischen Ahnung zur Beute, von Verzweiflung geschüttelt. Welchen neuen Streich, welche Eskapaden hatte er auf dem Gewissen? Was hatte er nun wieder zerschlagen, in einem heimlichen Rückfall in seine alte Heftigkeit?

Auffälligen Gehabes, wie er, hatte Elise es ihm angetan, sie lockte, sie reizte ihn mehr und mehr. Er seinerseits hörte nicht auf, sie zu erschrecken, vollführte, um sie einzuschüchtern, seine kriegerischen Tänze vor ihr, sobald sie sich näherte, was er bei mir unterließ, und heute früh hatte er im Vorbeigehen nach ihrer Ferse gehackt, wobei eine Masche ihres Seidenstrumpfs sich auftrennte.

»Das kostet dir den Hals.« - Marcel Jouhandeau, Das Leben und Sterben eines Hahns. Tiergeschichten. Stuttgart 1984 (zuerst 1947)

 

Hahn

 

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