äretiker
In Kleinasien oder in Alexandria, im zweiten Jahrhundert
unseres Glaubens, als Basilides verkündete, der Kosmos sei eine
verwegene oder verworfene Improvisation fehlerhafter Engel,
hätte Nils Runeberg mit einzigartiger intellektueller
Leidenschaft einen der gnostischen Konventikel geleitet. Dante
hätte ihm vielleicht ein feuriges Grab
zudiktiert; sein Name würde die Kataloge kleinerer Ketzer zwischen
Satornilos und Karpokrates bereichern; ein Bruchstück
aus seinen Predigten, mit Schmähungen
geziert, würde im apokryphen Liber adversus omnes haereses
fortdauern oder wäre untergegangen, als der Brand einer Klosterbibliothek
das letzte Exemplar des Syntagma vernichtete. Statt dessen
beschied Gott ihm das 20. Jahrhundert und die Universitätsstadt
Lund. Hier veröffentlichte er im Jahre
1904 die erste Ausgabe von Kristus och Judas; hier, im
Jahre 1909, sein Hauptwerk Den hemlige Frälsaren. (Vom
letzteren gibt es eine deutsche Fassung, die im Jahr 1912 Emil
Schering besorgte; sie heißt Der heimliche Heiland.)
- (
bo3
)
Häretiker (2) Augustins Lehre
verwirft, wenn auch nur verbal, die Verdammnis; der Herr richtet
sein Augenmerk auf die Erwählten und übergeht die Verworfenen.
Zwar weiß er alles, doch zieht er es vor, dem tugendhaften Leben
Beachtung zu schenken. Johann Scotus Eriugena, Palastlehrer
Karls des Kahlen, entstellte auf glorreiche Art diesen Gedanken.
Er predigte einen unbestimmbaren Gott; er lehrte eine Welt-Sphäre
platonischer Archetypen; er lehrte einen Gott, der weder die
Sünde noch die Formen des Bösen wahrnimmt; er lehrte die Vergöttlichung
und endliche Rückverwandlung der Geschöpfe
(einschließlich der Zeit und des Teufels)
in die ursprüngliche Einheit Gottes. »Divina bonitas consummabit
malitiam, aeterna vita absorbebit mortem, beatitudo miseriam.«
Diese gemischte Ewigkeit (die im Unterschied zu den platonischen
Ewigkeiten die individuellen Schicksale mit einschließt; die
im Unterschied zu der orthodoxen Glaubensregelung jede Unvollkommenheit
und Erbärmlichkeit verwirft) wurde auf der Synode von Valence
und der von Langres verdammt. De divisione naturae libri V,
das abtrünnige Werk, das sie verkündete, wurde öffentlich den
Flammen übergeben. Eine treffliche Maßnahme insofern, als sie
den Eifer der Bibliophilen anspornte und bewirkte, daß das Buch
von Eriugena bis auf unsere Tage gekommen ist. -
(
bo2
)
|
|