äresie Folgende sind die Irrlehren, die von Herrn Stephan, dem Bischof von Paris, zusammen mit allen, die sie wissentlich lehren oder behaupten sollten, verurteilt und exkommuniziert worden sind im Jahre des Herrn 1270, am Mittwoch nach dem Feste des hl. Nikolaus im Winter.
1. Dass der Intellekt aller Menschen
ein und derselbe ist an Zahl.
2.
Dass Folgendes falsch oder uneigentlich (gesagt) ist: Ein Mensch versteht.
3.
Dass der Wille des Menschen aus Zwang will oder wählt.
4.
Dass alles, was hier auf Erden geschieht, dem Zwang von Himmelskörpern unterliegt.
5.
Dass die Welt ewig ist.
6. Dass
es niemals einen ersten Menschen gegeben hat.
7.
Dass die Seele vergehe, wenn der Körper vergeht.
8.
Dass die nach dem Tode abgetrennte Seele nicht unter körperlichem Feuer leidet.
9.
Dass der freie Wille ein passives, nicht aktives Vermögen ist und dass er durch
Zwang von dem, was er erstrebt, bewegt wird.
10.
Dass Gott nicht Einzeldinge erkennt.
11.
Dass Gott nicht von sich anderes erkennt.
12.
Dass menschliche Handlungen nicht durch göttliche Vorsehung geleitet werden.
13.
Dass Gott nicht Unsterblichkeit oder Unvergänglichkeit einer sterblichen oder
vergänglichen Sache geben kann.
Sie sagen nämlich, dies sei wahr gemäß der Philosophie,
aber nicht gemäß dem katholischen Glauben, als ob diese zwei gegensätzliche
Wahrheiten seien und als ob gegen die Wahrheit der Hl. Schrift Wahrheit in Sätzen
verdammter Heiden sei, von denen geschrieben steht: ‚Ich will zunichte machen
die Weisheit der Weisen’ (1 Kor 1, 19), weil die wahre Weisheit die falsche
Weisheit zunichte macht. Dass doch solche Philosophen den Rat des Weisen beachten,
der da spricht: ‚Nur wer imstande ist, antworte deinem Mitmenschen, wenn nicht,
leg die Hand auf den Mund’ (Sir 5, 12). Damit also unvorsichtige Reden nicht
Einfältige in Irrtum ziehen, verbieten wir nach gemeinsamem Rat von Doktoren
der Hl. Schrift wie anderer kluger Männer solches und ähnliches und verurteilen
es ganz und gar; wir exkommunizieren alle jene, die die genannten Irrlehren
oder irgendeine von ihnen als Dogma verkünden oder sich irgendwie vornehmen,
sie zu verteidigen oder zu behaupten, ebenso auch deren Hörer, wenn sie sich
nicht binnen sieben Tagen dem Kanzler der Universität entdecken wollen. -
Etienne
Tempier
Häresie (2)
- Wikipedia
Häresie (3, als Göttin)
Häresie (4) As meine Ansichten, mit denen ich die kindliche
Unschuld und die keusche Weisheit der Alten beleidigt hatte, als häretisch bezeichnet
wurden und meine Lehre von dem schon geschehenen Ende
der Welt für unzulässig erklärt wurde, da zog ich das grüne Gewand des Predigers
aus und verzichtete auf alles, was ich in meinem Innersten schon längst als
eitlen Irrtum erkannt hatte: Die Existenz winziger Dämonen, die Unumgänglichkeit
gewisser unverzeihlicher, fürchterlicher Sünden, das alles mochte vor dem Ende
der Welt wohl möglich gewesen sein, aber da dieses Ende schon vorüber war, gab
es keinen Platz mehr für derartige Visionen oder Gebote oder Behauptungen. Zur
Lehre von der Unerschaffbarkeit der Welt äußerten sich die Theologen zwar etwas
verlegen; aber keiner war bereit, meine Behauptung zu akzeptieren, daß das Ende
der Welt schon vorüber sei. Dieser Widerspruch verfehlte es freilich nicht,
mich zu verwundern, da doch beide Thesen auf einer völlig neuen Beschreibung
der Zeit beruhten: Wir wußten nichts von dem schon geschehenen Ende der Welt,
weil dieses Ende eine Art von Zeit erzeugt hatte, in der wir zwar hausten, die
uns aber eine Erfahrung ihrer selbst versagte. Alles sei nun Ende der Welt,
versuchte ich vergeblich zu erklären, es könne uns nur nicht bewußt werden,
weil jegliches Außerhalb, das uns als Standpunkt für die Betrachtung
hätte dienen können, abhanden gekommen sei. Erleichtert legte ich also das heilige
Gewand ab, das einst das Kleid der Wahrheit für mich gewesen war, sich aber
in ein Kleid der Heuchelei verwandelt hatte; und meinem alten Sa-kristan überreichte
ich die Schlüssel zur Kirche und zu den Brautgemächern der Toten. Ich wußte,
daß die Toten schon seit geraumer Zeit aufgehört hatten, einander zu lieben,
zu suchen und sich miteinander zu vermählen, und daß damit jene Gemächer unwiederbringlich
verlassen waren; aber trotzdem war mein Verzicht auf die Schlüssel feierlich
und schrecklich. - Giorgio Manganelli, Kometinnen
und andere Abschweifungen. Berlin 1997
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