Haarwäsche  Er erhob seine Stimme und rief: »Ho! Ho! Es ist Neumond, Matuku, es ist Neumond!« Matuku hörte die Rufe des Wächters in seinem unterirdischen Reich und griff nach seinem hölzernen Schwert. Dann kam er unter furchtbarem Getöse nach oben und ging schnurstracks auf die eine der beiden Quellen zu. Er legte sein Schwert ab, löste das Band, das seine wilden Zotteln zusammenhielt, und beugte sich hinunter zum Wasser, um sein Haar im glasklaren Wasser der Quelle zu spülen. Just in diesem Augenblick kroch Rata aus seinem Versteck und schlich sich von hinten an Matuku heran, und als dieser sein Haupt aus dem Wasser hob, da griff er ihn bei seinen wilden Zotteln und erschlug Matuku mit dessen eigenem Schwert, dem Schwert, das einst Ratas Vater Wahieroa getötet hatte. - Märchen aus Neuseeland. Überlieferungen der Maori. Hg. und Übs. Erika Jakubassa. Köln 1985 (Diederichs, Märchen derWeltliteratur)

Haarwäsche (2)  Einmal bin ich zum Haarewaschen in den Stillen Ort der Fakultät, so steht es mir jedenfalls im Gedächtnis, noch später am Abend gegangen. Es war schon tiefe Nacht, und ich im Glauben, es sei niemand mehr sonst in dem Gebäude: offen ins Freie nur der mehr oder weniger geheime bewährte Ausschlupf. Beim Aufstoßen der Tür zu den Wasch- und Toilettenräumen waren dort die überhellen Lichter angeknipst - oder damals noch »aufgedreht«? -, und an meinem gewohnten Waschbecken hatte jemand den Kopf in das Wasser gesteckt und wusch sich seinerseits die Haare. Bei meinem Eintritt schielte er mich von unten herauf an und grüßte, Unbekannter, der er war, freundlich, so wie wenn nichts wäre.

Den Mann kannte ich nicht; er war mir nie begegnet, nicht in der Universität, nicht in dem Warenhaus, wo ich vor den Festen manchmal in der Versandabteilung mitarbeitete, noch sonstwo. Und doch war der Fremde mir gar nicht fremd, oder fremd auf eine Weise, welche fast wieder Vertrautheit ausstrahlte. Nein, nicht Vertrautheit, vielmehr eine Art Schrecken. Obwohl der Mann sich zur Kopfwäsche das Hemd ausgezogen hatte, was dort nie meine Sache gewesen war, und zudem vom Alter mein Vater oder sonstwer hätte sein können, sah ich, und zwar gleich auf den ersten Blick, mich selber am Becken stehen. Ich war in der Waschzelle auf meinen Doppelgänger gestoßen, welchen ich seit der frühen Kindheit irgendwo hinter den Horizonten gewußt hatte und der mir eines Tages über den Weg laufen würde, oder ich ihm.

Unerwartet, und in der Vorstellung schon ziemlich verblaßt, ließ er sich sehen mitten in der Nacht, in einem grellen Licht, vorgebeugt, lange nasse Haarsträhnen überm Gesicht, mit abgestreiften Hosenträgern, die ihm in die Kniekehlen baumelten. Und wie ich sonst hatte er zum Abtrocknen ein Handtuch dabei, ein großkariertes (anders als meines).

Mir nichts, dir nichts habe auch ich mit der Haarwäsche begonnen, zwei, drei Becken von ihm entfernt. So wortlos wie selbstverständlich machten wir, einer neben dem andern, unsere Toilette, er sich dann rasierend, mit Pinsel und Schaum, ich, beim eigens langwierigen Ribbeln und Rubbeln, meinen Doppelgänger von der Seite betrachtend, nicht verstohlen, sondern offen, zugleich nachdenklich und versunken, weiterhin so selbstverständlich, wie mir das noch nie beim Anschauen eines anderen Menschen, höchstens vielleicht eines Schläfers, eines Neugeborenen oder eines Toten, zugestoßen war. Der dort war ich also. Und so wie er würde ich einmal sein?  - Peter Handke, Versuch über den Stillen Ort. Frankfurt am Main 2012

 

Haarpflege Waschung

 

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