ut, höchstes  In der Zeit, in welcher Ethik und Erziehung begannen wissenschaftlich organisiert und in literarischen Abhandlungen dem Publikum bekannt gemacht zu werden, mußte selbstverständlich auch mitgeteilt werden, was diese Wissenschaften letzten Endes zu leisten imstande wären. Das war hier genau so wichtig wie bei der Architektur, Gartenbaukunst oder Medizin. Da ergaben sich denn Begriffe, die zunächst einfach jene Frage beantworteten, worauf die Wissenschaft der Ethik eigentlich hinauslaufe. Protagoras scheint den Begriff der Eubulia genannt zu haben; das war eine praktische Zielsetzung. Protagoras wollte den Menschen die Fähigkeit beibringen, im Staate und zu Hause mit richtiger Überlegung zu handeln. Sein Schüler Demokrit hat demgegenüber die Euthymia als den wünschenswertesten Zustand bezeichnet. Darin liegt, daß es nicht auf das Handeln und nicht auf große und aufregende Taten ankomme, sondern allein auf die Ruhe des Gemütes, die weder durch überflüssigen Ehrgeiz noch auch durch die Angst vor den Dingen über und unter der Erde verwirrt werden dürfe. Der erste der athenischen Sophisten wiederum, Damon, der Freund des Perikles, hat von der Eukosmia gesprochen, womit vor allem die bürgerliche Diszipliniertheit gemeint gewesen sein mag.

Ein Sokratiker wird es gewesen sein, der in handgreiflicher Polemik gegen diese Schlagworte als das einzig Wünschenswerte die Eutychia, das Glückhaben, bezeichnet hat. Damit war gesagt, daß es völlig belanglos sei, was für Fähigkeiten der Mensch besitze oder sich aneigne. Letzten Endes sei alles Glückssache, eine Anschauung, die sich etwa auch in dem Zweizeiler des Theognis findet:

«Bete nicht darum, an Ruhm dich auszuzeichnen oder an Reichtum;
das einzige, was der Mensch braucht, ist Glück

In diese Gruppe der Begriffe gehört nun auch die Eudaimonia. Das Wort bedeutet zunächst Gunst des Daimon, der Gottheit. Es gehört insofern in die Nähe von Eutychia, weil auch damit etwas gemeint wird, was der Mensch sich durchaus nicht selbst verschaffen, worum er höchstens beten kann. Aber das Wort hat eine bewußt paradoxe Umdeutung erfahren. Es beginnt mit dem berühmten Satze Heraklits, daß der Daimon für den Menschen nichts anderes sei als seine eigene Art. Demokrit sagt dasselbe noch schärfer: der gute wie der schlechte Daimon ist in der Seele, und: « Die Eudaimonia wohnt nicht in Herden und nicht in Gold; die Seele ist der Wohnsitz des Daimon. Da ist denn die Umwertung vollzogen. Gerade das, was der Mensch vom Daimon erwarten möchte, soll er selbst leisten und hat er selbst in der Hand. Ich halte es für sicher, daß der Sokratiker, der zuerst diesen Begriff in den Mittelpunkt gestellt hat, bewußt an diese Äußerungen Heraklits und Demokrits angeknüpft hat. Eudaimonia ist ein Begriff, der allgemein genug war, um sozusagen axiomatisch verwendet zu werden: daß alle Menschen die Eudaimonia besitzen wollen, ist selbstverständlich. Und doch kann gerade daran gezeigt werden, daß es allein vom Menschen und seinem Tun abhängt, ob er zur Eudaimonia gelangt.  - Olof Gigon, Vorwort zu (eth)

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