Gruppensex  Er war einfach nur ein Fotograf. Zwar ein besonderer, denn er benutzt statt des Lichts Röntgenstrahlen.

Dieser Anatom durchdringt mit seinem Auge, den verlängerten Rüsseln der Röntgenapparate, die Körper. Die schwarzweißen Schirmbilder jedoch, die uns aus den Ärztezimmern bekannt sind, würden uns sicherlich gleichgültig lassen. Darum belebte er seine Akte. Deshalb schreiten seine Skelette mit einem so straffen, entschlossenen Schritt in den Todeshemden der  Raglans,   mit  den  Spektren  der Aktentaschen. Ziemlich  boshaft und eigenwillig, geben wir es zu, mehr nicht, doch er hat mit diesen Momentaufnahmen nur Maß genommen, es waren seine ersten Gehversuche - er wußte noch nicht, wie und was. Lärm erhob sich erst, als er sich erdreistete, etwas Schreckliches zu tun (obschon es eigentlich keine schrecklichen Dinge mehr geben sollte): Er hatte den Sex durchleuchtet und ihn auf diese Weise gezeigt.

Die Sammlung von Strzybisz' Arbeiten eröffnen seine «Pornogramme« - die fürwahr komisch sind, aber es ist eine recht grausame Komik. Gerade den aufdringlichsten, zügellosesten, entfesselten Sex, den Gruppensex, hat Strzybisz unter die bleiernen Blenden seiner Objektive genommen. Man schrieb, er wolle die Pornomanie verhöhnen, er habe ihr eine genaue (weil bis zum nackten Knochen geführte) Lektion erteilt, und dies sei ihm gelungen, weil diese Knochen, die ineinander verkrampft, zu geometrischen Rebussen geordnet, aus der unschuldigen Verwirrung vor dem Auge des Zuschauers plötzlich - und unheimlich - in einen modernen Totentanz, in die Laichzeit hochhüpfender Skelette überspringen. - Stanislaw Lem, Imaginäre Größe. Frankfurt am Main 1976 (zuerst 1973)

Gruppensex  (2)

Paragraph Aids

Ich soll der einen Frau unwandelbar treu sein
Ich soll der einen Frau, der ich unwandelbar treu sein
   soll, vollkommen vertrauen, daß sie mir unwandel-
   bar treu ist
Ich soll, wenn ich der einen Frau, der ich unwandelbar
   treu sein und vertrauen soll, daß sie mir unwandel-
   bar treu ist, nicht unwandelbar treu bin - oder die
   eine Frau, der ich unwandelbar treu sein soll, bin
   oder nicht bin, mir nicht unwandelbar treu ist -
   oder aber ich den leisesten Zweifel oder Argwohn
   oder Verdacht, daß die eine Frau, der ich unwandel-
   bar treu sein soll, bin oder nicht bin, mir nicht un-
   wandelbar treu sei, hege -
   oder die eine Frau, der ich, oder nicht, bin, und voll-
   kommen soll, sie sei, ihrerseits den Zweifel oder
   Argwohn oder Verdacht, und sei es den leisesten,
   daß ich, obwohl sie, meinerseits, hegt -
Soll ich / soll sie
Aus der Erwägung heraus
Daß unmerkliche Defekte der Schleimhäute nie ganz
   ausgeschlossen werden können
Unmittelbar vor Gebrauch dem Container den Gum-
   mi entnehmen
Ihn, den Gummi, prüfen, unter der Lampe
Und, sobald wir uns von der Unversehrtheit des
   Gummis überzeugt haben
Ihn, den Gummi, die Innenseite nach innen! über den
   Schwanz ziehen.
Wir sollen daran denken, daß jedoch die Sekretion
   noch nicht begonnen haben darf
Wir sollen durch das Überziehen des Gummis das Vor-
   spiel nicht unterbrechen
Sondern das Überziehen des Gummis als Teil des Lie-
   besspieles betrachten
Sie soll aber die Nägel kurz und rund halten
Weil spitze Nägel den Gummi perforieren könnten
Und weil alle Theorie grau ist
Soll ich doch besser das Überziehen des Gummis vor
   der Verabredung üben
Sie soll immer einige Gummis in der Handtasche bei
   sich führen
Weil ich ihr das im entscheidenden Augenblick sicher-
   lich danken werde.
Sie soll den Gummi in den Mund nehmen
Falls ihr / mein Wunsch auf fellatio sich als unbezwing-
   lich erweisen sollte.
Ich soll umgehend den Schwanz aus der Dame zurück-
   ziehen
Sobald seine aktiven Maße nach dem Vollzug im min-
   desten zu schwinden drohen
Ich soll den Gummi am oberen (offenen) Ende ver-
   knoten
Ich soll den verknoteten Gummi in das bereitliegende
   frische Papiertaschentuch wickeln
Ich soll das Papiertaschentuch mit dem eingewickel-
   ten verknoteten Gummi in die Mülltonne tragen
Ich soll den Schwanz waschen
Und eventuell dann noch haftende Samenreste mit
   dem sogenannten Bumsstein entfernen.
Zuwiderhandelnden werden
Folgende Auflagen erteilt:
Ich soll der einen Frau unwandelbar treu sein
Ich soll der einen Frau, der ich unwandelbar treu sein
   soll, vollkommen vertrauen, et
Cetera zetera zeteratata

Tamino Euridice
Orfeus Leonore
Pamina Florestan
Was für ein Gruppensex!
Filemon und Baucis
Halten die Lampe

 - Karl Mickel, Schriften 2. Palimpsest. Gedichte und Kommentare 1975-1989

Gruppensex  (3)

Gruppensex  (4)  Vorsichtig zog er ein Flugblatt aus seiner Kollegmappe, das den Titel SOLIDARITÄT MIT DEN ›LA BRIGUE‹-SCHAFEN! trug. »Ich habe den Text heute nacht getippt...«, sagte er leise.»Ich habe gestern abend mit den Schafzüchtern gesprochen. Sie wissen sich einfach nicht mehr zu helfen, sie sind voller Haß, ihre Schafherden sind buchstäblich dezimiert worden. Daran sind die Umweltschützer schuld und der Naturpark des Mercantour. Sie haben hier Wölfe wieder eingerührt, Horden von Wölfen, und die fressen die Schafe!...« Seine Stimme wurde plötzlich schrill, schlug in Schluchzen um. In der Nachricht, die Bruno Michel hatte zukommen lassen, hatte er ihm mitgeteilt, daß er sich wieder in der psychiatrischen Klinik in Verrieres-le-Buisson aufhielt, und zwar »vermutlich für immer«. Anscheinend hatte man ihn zu diesem Anlaß gehen lassen.

»Unsere Mutter liegt also im Sterben ...«, unterbrach ihn Michel, um auf den eigentlichen Grund ihres Besuchs zurückzukommen.

»Völlig richtig! Am Cap d'Agde ist es genau dasselbe, da haben sie angeblich die Dünen gesperrt. Der Beschluß ist gefaßt worden, weil die Schutzgemeinschaft für die Küstenzone, die ganz in den Händen der Umweltschützer ist, starken Druck ausgeübt hat. Die Leute haben nichts Böses getan, sie haben sich nur ganz friedlich mit Gruppensex vergnügt; aber das stört angeblich die Seeschwalben. Die Seeschwalbe, das ist so eine Spatzenart. Zum Henker mit den Spatzen!« sagte Bruno erregt.»Sie wollen uns daran hindern, Gruppensex zu machen und Schafskäse zu essen, das sind richtige Nazis. Und die Sozialisten stecken mit ihnen unter einer Decke. Sie sind gegen die Schafe, weil Schafe Rechte sind, die Wölfe dagegen Linke; dabei ähneln die Wölfe den Deutschen Schäferhunden, und die sind rechtsradikal. Wem soll man da noch trauen?«  - Michel Houellebecq, Elementarteilchen. München 2001 (zuerst 1998)

 

Gruppe Sex

 

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Synonyme