ruppe   Ich wähle den Fall des Francisco Sabaté Llopart (1913-60), der einer Gruppe anarchistischer Guerrilleros angehörte, die nach dem Zweiten Weltkrieg von Stützpunkten in Frankreich aus in Katalonien operierten. Heute sind nahezu alle Mitglieder tot oder gefangen: die Brüder Sabaté, José Lluis Facerias (Kellner aus dem Barrio Chino in Barcelona, wahrscheinlich der Fähigste und Intelligenteste unter ihnen), Ramon Capdevila »Caraquemada« (das »verbrannte Gesicht«, ein ehemaliger Boxer, war vermutlich der Stärkste unter ihnen, er kam auch als letzter um, nämlich 1963), Jaime Pares »El Abissinio« (ein Fabrikarbeiter), José Lopez Penedo, Julio Rodriguez »El Cubano«, Paco Martinez, Santiago Amir Gruana »El Sheriff«, Pedro Adrover Font »El Yayo«, der junge und stets hungrige José Pedrez Pedrero »Tragapanes«, der Pazifist Victor Espallargas (der an den Banküberfällen aus moralischen Prinzipien niemals anders als unbewaffnet teilnahm) sowie noch die Namen mancher anderer, die heute nur mehr in den Polizeiarchiven und in der Erinnerung ihrer Familien oder einiger weniger Anarchistenkreise lebendig sind.

Barcelona, die zwischen Hügeln eingezwängte, turbulente Hauptstadt proletarischer Aufstände, war der Maquis der Gruppe, obwohl sie über das Leben in den Bergen genügend Bescheid wußten, um zwischen Stadt und Bergen hin und her wechseln zu können. Ihre Transportmittel waren requirierte Taxis und gestohlene Autos, Bushaltestellen oder die Eingänge von Fußballstadien ihre bevorzugten Treffpunkte. Zur Ausrüstung gehörten sowohl die typischen Regenmäntel, die sich unter bewaffneten Aktivisten zwischen Dublin und dem Mittelmeer überall größter Beliebtheit erfreuen, als auch Einkaufstaschen und Aktenmappen, in denen man Bomben und Schußwaffen verbirgt. Was ihr Motiv betrifft, war es »die Idee« der Anarchie: der wahnhafte Traum von der völligen Kompromißlosigkeit, dem wir alle nachhängen, den aber außer Spaniern nur selten einer um den Preis der Entmachtung und Zerschlagung der Arbeiterbewegung zu leben versuchte. In ihrer Welt würden die Menschen von nichts anderem beherrscht als von der Moral, die unter dem Diktat des Gewissens steht. Eine Welt ohne Armut, ohne Staat, ohne Gefängnisse, ohne Polizei, ohne Zwang und Disziplin, sofern es nicht die Disziplin der inneren Erleuchtung ist; eine Welt, in der es keine anderen Bindungen gibt als jene der Liebe und Brüderlichkeit, eine Welt ohne Lügen, ohne Eigentum und ohne Bürokratie. Da sind die Menschen so rein wie Sabaté, der niemals rauchte und der nur zum Essen trank, das auch dann so frugal wie das Mahl eines Hirten blieb, wenn er gerade erst eine Bank ausgeraubt hatte.   - (hob)

 

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