Grund, um zu leben  Man sollte allen Gedichten diesen Titel geben können: Gründe, um glücklich zu leben. Für mich wenigstens ist jedes von denen, die ich schreibe, wie eine Notiz, die ich mir zu machen versuche, wenn aus einer Meditation oder Betrachtung in meinem Körper die Rakete einiger Worte aufschießt, die ihn erfrischt und ihn den Entschluß fassen läßt, ein paar Tage weiterzuleben.

Wenn ich mich noch mehr in die Analyse vertiefe, so finde ich, daß überhaupt kein anderer Grund zu leben vorhanden ist, als weil es zunächst die Gabe der Erinnerung und die Fähigkeit zu verweilen gibt, um die Gegenwart zu genießen, was einen dazu bringt, diese Gegenwart zu betrachten, wie man die Erinnerungen zum erstenmal betrachtet: das heißt, sich den mutmaßlichen Genuß eines dafür bestehenden Grundes in frischem, das heißt rohem Zustand aufzuheben, wenn er gerade entdeckt wird inmitten der einmaligen Verhältnisse, die ihn in der nämlichen Sekunde umgeben. Dies ist der Beweggrund, der mich zum Bleistift greifen läßt (vorausgesetzt, daß man einen Grund zweifellos nur deshalb aufbewahren möchte, weil er praktisch ist wie ein neues Werkzeug auf unsrer Werkbank). Und jetzt muß ich noch sagen, daß das, was ich einen Grund nenne, für andere eine einfache Beschreibung oder Berichterstattung sein kann, oder eine gleichgültige und unnütze Schilderung. Auf folgende Weise werde ich mich rechtfertigen: weil die Freude mir durch die Betrachtung gekommen ist, kann mir die Wiederkehr der Freude sehr wohl durch die Schilderung gegeben werden. Diese Wiederkehr der Freude, diese Erfrischung im Gedenken an die Gegenstände der Wahrnehmung ist genau das, was ich Gründe, um zu leben, nenne. Wenn ich sie Gründe nenne, so deshalb, weil sie die Rückkehr des Geistes zu den Dingen sind. Nur der Geist kann die Dinge erfrischen. Vermerken wir außerdem, daß die Gründe nur richtig oder gültig sind, wenn der Geist zu den Dingen in einer den Dingen annehmbaren Weise zurückkehrt: wenn sie nicht beschädigt und sozusagen von ihrem eigenen Standpunkt aus beschrieben werden. Aber das ist ein unmögliches Ziel, eine unmögliche Vollkommenheit. Wenn das erreichbar wäre, so würde jedes Gedicht allen und jedem gefallen, allen und in jedem Augenblick, wie die Gegenstände der Wahrnehmung selbst gefallen und auffallen. Aber das kann nicht sein: es ist da immer wieder das Verhältnis zum Menschen... Nicht die Dinge sind es, die unter sich sprechen, sondern die Menschen unter sich, die von den Dingen sprechen, und man kommt durch nichts vom Menschen los.

Durch Kneten wenigstens, eine ursprüngliche Respektlosigkeit vor den Worten usw., sollte man den Eindruck eines neuen Idioms hervorrufen, das den Effekt der Überraschung und der Neuheit der Wahrnehmungsgegenstände als solcher bewirkt.   - (lyr)

 

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