Großfloh  - Es wird besser, sagte seine Mutter, wenn er heiratet.

Er heiratete aber lange nicht und endlich nur eine gewisse Adelaide Rabe, geschiedene Thompson, mit der und deren Sohn aus erster Ehe, Herbert Balduin Thompson, er sich für ein Jahr in ein indisches Kloster zurückziehen mußte. Adelaide sprach von Vereinigung mit dem Karma oder so ähnlich. Diese Expedition kostete natürlich viel Geld und war trotzdem wegen eines sehr haarigen, mageren und schmutzigen indischen Oberweisen - Oswald erzählte später, dieser Inder hätte ihn an einen Floh erinnert, den er einmal durch ein Mikroskop betrachtet hatte - ein ziemlicher Reinfall. Oswald Bilberry störte es dabei nicht so sehr, daß Adelaide die Vereinigung mit dem Karma in einer Form vollzog, die auf den ersten Blick bei der sonstigen Vergeistigung des flohartigen Oberweisen merkwürdig körperlich anmutete.

- Was verstehst du! hatte Adelaide gesagt. Auch die praktische Anwendung der heiligen Liebesbücher gehört zum Karma.

So vollzog Adelaide mit dem Oberweisen nach und nach alle Kapitel aller heiligen Liebesbücher. Einmal, das nötigte selbst Oswald Achtung ab, vollzog sie die Vereinigung mit dem Karma, respektive dem Großfloh, bei währendem Purzelbaumschlagen. Es störte dann Oswald auch nicht mehr, daß diese Karma-Geschichte in Anwesenheit aller Mönche geschah, die dabei im Kreis um das Geschehen saßen und unverständliche

Lieder sangen. Endlich störte Oswald aber, daß Adelaide bei jenen ohnehin seltenen Gelegenheiten, wo sie Oswald die Gattinnenliebe - ohne Purzelbaum - gewährte, beim Ausbruch selbst zahmster Leidenschaft ihres Mannes zu sagen pflegte:

- Vorsicht, vergiß nicht, daß du ein Gefäß Gottes vor dir hast!

Der große Floh galt nämlich mit ziemlicher Sicherheit als Reinkarnation Buddhas oder sonst wessen. Den vorzeitigen Abbruch der Seelenübungen durch Oswald und dessen Heimreise vereitelten stets irgendwelche wichtigen Ereignisse. Einmal wurde Herbert, Adelaides Sohn, in irgendein Geheimnis weiß Gott wievielten Grades eingeweiht. Man schor ihm den Kopf und stach ihm, wie es hieß, schmerz- und gefahrlos, eine lange Nadel durchs Bein. Der arme Junge brüllte fürchterlich, und das Beinchen blutete. Man habe ihn leider in einen etwas zu hohen Grad eingeweiht, sagte Adelaide wichtig. Das zweite Mal, als Oswald abreisen wollte, kündigte der Oberweise flugs an, er wolle auf Wasser gehen. Das interessierte nun auch Oswald, und er blieb. Es kam ihm buchstäblich teuer zu stehen. Dem vergeistigten Hindu gelangen nämlich lediglich die einleitenden Gebete und Meditationen. Das Ganze spielte sich am Schwimmbecken des Provinz-Gesundheits-Vereins ab. Nach den Meditationen begab sich Mandavarananda, oder wie er hieß, an den Beckenrand. Er stellte einen Fuß fest aufs Wasser. Auch das gelang rioch sehr gut. Als er jedoch den zweiten nachzog, fiel Mandavarananda ins Wasser und ging unverzüglich unter. Oswald mußte der aufgebrachten Zuschauermenge, die um ihr Wunder betrogen war, das Eintrittsgeld zurückgeben, um nicht mit den Mönchen gelyncht zu werden. Am Abend fand eine umständliche Reinigungszeremonie der Mönche statt, denn Mandavarananda war ja mit Wasser in Berührung gekommen.

Als das Jahr um war, kehrten Oswald, Adelaide und der kleine Herbert nach England zurück. Zuvor aber mußte Oswald den Mönchen - zur Erleichterung der Meditation - ein Kino stiften.   - Herbert Rosendorfer, Der Ruinenbaumeister. Zürich 1976

Tiere, große Floh

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