Gourmand „Meine Freunde, sagte unser Wirt, „wir haben euch darauf vorbereitet, daß ihr nur Menschenfleisch bekommt, es gibt auch kein anderes Gericht."

„Wir werden es versuchen," sagte Sbrigani. „Der Widerwille ist ein Unsinn und rührt nur aus dem Mangel an Gewöhnung her. Jegliches Fleisch dient dem Menschen zur Nahrung und warum soll man nicht ebensogut einen Menschen wie ein Huhn essen?"

Daraufhin steckte mein Gatte seine Gabel in ein Knabenviertel, welches sehr gut zubereitet schien, und nachdem er mindestens zwei. Pfund sich auf den Teller gelegt, verschlang er es. Ich ahmte ihm nach. Minski ermutigte uns, und da sein Appetit seinen anderen Leidenschaften glich, hatte er bald fast zwölf Platten geleert. Minski trank wie er aß; er hatte schon die dreißigste Flasche Burgunder geleert, als der Champagner an die Reihe kam. Falerner und andere kostbare italienische Weine kamen zum Nachtisch. Über dreißig weitere Flaschen Wein waren in die Eingeweide des Menschenfressers verschwunden, als das Scheusal, nachdem seine Sinne durch die Schlemmerei genügend entflammt waren, uns erklärte, er habe Lust zu entladen. „Ich will keinen von euch vieren vögeln, denn sonst müßte ich euch töten, aber wenigstens sollt ihr insoweit meiner Lust dienen, daß ihr zusehet. Ich halte Euch für würdig, euch voran zu begeilen, wen soll ich vögeln?"  - (just)

Gourmand (2)  Der Propst war fett und wohlgenährt wie ein für den Bratspieß gemästetes Masthuhn. Ulenspiegel sah bald, was für Kräutlein er weidete, um so dick Speck anzusetzen. Nach dem, was er vom Glöckner erfuhr und mit eigenen Augen sah, aß der Propst um neun Uhr zu Mittag und um vier Uhr zu Nacht. Er blieb bis um halb neun Uhr im Bett; dann ging er vor dem Mittagessen in seiner Kirche spazieren und schaute nach, ob die Opferstöcke schön voll seien. Und die Hälfte des Inhaltes leerte er in seine Tasche. Um neun Uhr speiste er; er trank eine Schale Milch, aß eine halbe Hammelkeule, eine kleine Reiherpastete und leerte fünf Humpen Brüsseler Wein. Um zehn Uhr schleckte er ein paar Pflaumen, begoß sie mit Wein von Orleans und betete zu Gott, er möge ihn nie in Schlemmerei verfallen lassen. Um zwölf Uhr knabberte er zum Zeitvertreib einen Flügel und einen Bürzel von einem Federvieh. Um ein Uhr trank er in Gedanken ans Abendessen einen guten Schluck spanischen Wein; dann streckte er sich auf seinem Bett aus und stärkte sich mit einem Schläfchen.

Wenn-er dann aufwachte, aß er ein wenig gesalzenen Salm, um sich den Appetit zu kitzeln, und leerte einen großen Humpen Doppel-Knol aus Antwerpen. Dann ging er hinunter in die Küche, setzte sich vor den Kamin und das schöne Feuer, das darin loderte. Er schaute zu, -wie für die Mönche der Abtei ein großes Stück Kalbfleisch oder ein wohl abgebrühtes Ferkel briet und sich bräunte; solch ein Schmaus war ihm willkommener als ein Laib Brot. Aber der Appetit ging ihm ein wenig ab. Und er betrachtete den Bratspieß, der sich wie durch ein Wunder von selber drehte. Er war das Werk des Schmiedes Pieter van Steenkiste, der in der Burgvogtei von Courtrai wohnte. Der Propst zahlte ihm für einen solchen Spieß fünfzehn Pfund parisisch.

Dann stieg et wieder in sein Bett und entschlummerte vor Müdigkeit. Er erwachte wieder gegen zwei Uhr und verschlang ein wenig Schweinesülze, die er mit Romagnawein begoß, zu zweihundertvierzig Gulden das Fäßlein. Um drei Uhr aß er ein Vögelein mit Madeirazucker und leerte zwei Gläser Malvasier zu siebzehn Gulden das Tonnchen. Um halb vier nahm er einen halben Topf eingemachte Früchte zu sich und befeuchtete sie mit Honigbier. Jetzt war er richtig wach; er nahm einen Fuß in beide Hände und ruhte gedankenschwer aus.

Wenn die Zeit des Nachtessens herangekommen war, besuchte ihn oftmals der Pfarrer von Sankt Johann, ihm zu dieser saftigen Stunde Gesellschaft zu leisten. Sie wetteiferten manchmal, wer mehr Fisch, Geflügel und Fleisch vertilgen könne. Wer zuerst vollgegessen war, mußte dem ändern eine Schüssel Karbonaden bezahlen, zubereitet mit dreierlei Arten Glühwein, viererlei Gewürzen und siebenerlei Gemüsen.

das er einen halben Topf eingemachte Früchte zu sich und befeuchtete sie mit Honigbier. Jetzt war er richtig wach; er nahm einen Fuß in beide Hände und ruhte gedankenschwer aus.

Wenn die Zeit des Nachtessens herangekommen war, besuchte ihn oftmals der Pfarrer von Sankt Johann, ihm zu dieser saftigen Stunde Gesellschaft zu leisten. Sie wetteiferten manchmal, wer mehr Fisch, Geflügel und Fleisch vertilgen könne. Wer zuerst vollgegessen war, mußte dem andern eine Schüssel Karbonaden bezahlen, zubereitet mit dreierlei Arten Glühwein, viererlei Gewürzen und siebenerlei Gemüsen.

Also trinkend und essend, plauderten sie zusammen von den Ketzern und waren im übrigen der Meinung, man könne ihrer nicht genug ausrotten. Darum gerieten sie auch nie miteinander in Streit, ausgenommen sie stritten etwa über die neununddreißig Arten, gute Biersuppen zu bereiten.  - Charles de Coster, Ulenspiegel. Darmstadt 1968 (zuerst 1868)

Gefrässigkeit

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Unterbegriffe

VB

Gourmet

Synonyme
Vielfraß

Antonym