Göttergeburt  Sie war schön, wie sie nun dastand, die Altgewordne; das Lächeln strahlte aus ihrem Leib: dem schmollenden Mund, den gewaltigen Brüsten, die der geraffte Chiton verdeckte, dem nackten, dicken, noch wackelnden Bauch, den nackten, dicken, massigen Schenkeln und dem nackten sehnsüchtigen Geschlecht, das sich wehrte, dem Gesetz der Zeit zu erliegen, dem es doch schon erlegen war, und nun geschah das Ungeheure: Baubo spürte, wie ihre Höhle sich füllte, was trocken starrte, begann zu schimmern,  geschmeidig, in allesbelebender Feuchte, und die Alte spürte, daß sie empfing und gebar. Es regte sich in ihrem Schoß, nicht ihr Verlangen, ein anderes Wesen, das in ihr da war und wuchs und ans Maienlicht drängte, in dem die Große Mutter saß. Ihr Bauch verwehrte Baubo, alles zu sehen, was da unten mit ihr vorging, doch da sah sie's in den spiegelnden Augen Demeters: Ein Knäblein war da, tief in ihrem Schoß, sie spürte es zappeln und spürte es strampeln, und das Knäblein streckte die Hände ins Freie und griff in das dichte buschige Haar und zog sich daran ein Stückchen näher dem strahlenden Blick der Göttin zu, so daß nun sein Köpfchen an den Tag trat, ein samtäugig lugender Lockenkopf mit Spitzbubenlippen und stupsiger Nase, die sich rümpfte, als ob sie niesen müsse in diesem Staub aus Asche und Trübsal, und da lachte die Göttin, ein Schneeglöckchenlachen, ein Veilchenlachen, ein Pfingstrosenlachen, schallend, daß Halle und Wald erbebten, und jetzt wußte Baubo den Namen des Knaben: lakchos war da, das göttliche Kind, von jeder Mutter aufs neue geboren, das Kind Demeters und nun das Kind Baubos, und dereinst auch einmal das Kind Kores, und zugleich der Gott, der auf einem Schiff fährt, darauf Wein wächst und der Panther mit Schafen spielt.

Iakchos war da, und lakchos war ein Knabe; er griff nach dem daumengliedgroßen Stempel und schaute ihn an und streichelte ihn und schnalzte fröhlich mit der Zunge und begann dann wie an einer Brust zu saugen, und Demeter saß von Lachen geschüttelt, und ihr Lachen durcheilte Felder und Wiesen, und siehe, was gilbend war, ergrünte, und das Lachen benetzte die rissige Erde, und aus ihrer Feuchte sproß Korn und Gras. - Franz Fühmann, Baubo. Nach (fue)

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