lückskuß
Wahrscheinlich war ich nicht dabei, als sie verhaftet wurde, aber
ich habe es so oft erzählen hören, daß mir vor Augen steht, wie die
Urlowski um ihre Freiheit kämpfte, wie sie die Schuhe in die Hände
nahm, um mit den Absätzen auf Helme und Polizistenschädel
einzudreschen. Als man sie dann, barfuß, die Hände mit einem
Plastikband auf den Rücken gefesselt, ihre berühmte lila Hochperücke
schräg ins Gesicht gerutscht, nach draußen führte, wo sich die Trinker
aus den umliegenden Kneipen zum Gaffen versammelt hatten, kam es zu
jenem Zwischenfall, den man in Suckokreisen seitdem den Glückskuß
nennt. Der Leiter der Aktion, ein Kriminaler alten Schlags, näherte
sich der Festgenommenen, begann - man sagt, mit höhnischem Gesicht - ihr
etwas ins Ohr zu flüstern, als es ihn plötzlich umriß und sein massiger
Körper lang auf das Pflaster schlug. Bis heute hält sich die Mär, daß
aus der lila Perücke der Verhöhnten ein gleichfarbener Blitz in das Gesicht des Mannes, sogar mitten in seinen hämisch schiefen Mund, gefahren sei.
Später gab unsere Polizei bekannt, er sei von einer Kugel, die man mit einer Schleuder
abgeschossen habe, an der Schläfe getroffen worden, habe sich den
tödlichen Schädelbruch jedoch erst beim Sturz auf das Pflaster
zugezogen. Der Schütze ist nie ermittelt worden. - Georg Klein, Barbar Rosa. Berlin 2001
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