ewissen,
gutes In einer der Quergassen begegnete er zwei Sträflingen,
die in Ketten geschlossen waren und von vier mit Gewehren bewaffneten Soldaten
eskortiert wurden. Schon oft zuvor war Iwan Dmitritsch Sträflingen begegnet,
und noch jedesmal hatten diese in ihm ein Gefühl des Mitleids und der Verlegenheit
erweckt, diesmal aber löste die Begegnung in ihm eine sehr besondere und seltsame
Empfindung aus. Aus irgendeinem Grunde war ihm plötzlich, daß man auch ihn in
Ketten werfen und auf die gleiche Weise durch den Kehricht zum Gefängnis schaffen
konnte. Nachdem er bei seinem Kleinbürger gewesen und von dort heimkehrte, begegnete
er in der Nähe der Post einem Polizciaufsehcr, den er kannte. Dieser begrüßte
ihn und begleitete ihn einige Schritte weit, und dieser Umstand kam ihm verdächtig
vor. Zu Hause mußte er den ganzen Tag an Sträflinge und an Soldaten mit Gewehren
denken, und eine unbegreifliche seelische Unruhe hinderte ihn daran, zu lesen
und sich zu konzentrieren. Als es Abend wurde, machte er kein Licht und nachts
konnte er nicht schlafen und mußte immer nur daran denken, daß man ihn verhaften,
in Ketten legen und ihn ins Gefängnis werfen könnte. Er wußte sich keines Vergehens
schuldig und er konnte garantieren, daß er auch in Zukunft weder töten, noch
brandstiften noch stehlen werde; indes war es denn nicht leicht möglich, ein
Verbrechen unbewußt und unverhofft zu begehen, und waren denn Verleumdung oder
schließlich ein Irrtum des Gerichtes nicht denkbar? War denn nicht die jahrhundertealte
Erfahrung der Menschen da, die einen jeden lehrte, den Bettelsack oder den Kerker
nicht zu verschwören? - Anton Tschechow, Krankenhauszimmer
Nr. 6.
Nach (tsch)
Gewissen, gutes (2)
|
||
|
||