Clausewitz,
Vom Kriege (1832/4)
Gewalt (2) Ein Freund von mir,
Phil Lomax, erzählte mir die Geschichte von dem Blinden, der in
der U-Bahn eine Pistole zieht, auf einen Mann
schießt, der ihn geohrfeigt hat, und einen
völlig Unbeteiligten tötet, der jenseits des Mittelgangs friedlich seine
Zeitung las. Da dachte ich, verdammt noch mal,
das klingt doch genau wie die Nachrichten heutzutage
— Aufruhr in den Ghettos, Krieg in Vietnam, Selbstzerfleischung in Vorderasien...
Und ich mußte an einige von den Negerführern denken, die unsere leicht
verletzlichen Soul Brothers lautstark dazu ermuntern, sich umbringen
zu lassen. Und schließlich dachte ich, daß alle unorganisierte Gewalt genauso
ist wie der Mann in der U-Bahn: Blind, mit einer Pistole. - Aus:
Chester Himes, Blind, mit einer Pistole. Reinbek 1970 (zuerst 1969)
Gewalt (3) Monsignore German Guzman, einer
der besten Kenner der violencia seiner kolumbianischen Heimat, beschrieb
die Situation der mörderischen Waisenkinder der Anarchie so: Erstens hat
man die wesentliche Einheit des bäuerlichen Lebens zerschlagen, als man
Menschen und Boden voneinanderriß. Sie lassen den
Boden unbestellt und kümmern sich nicht um die Bäume
. . . Diese Männer - oder vielmehr: diese Jugendlichen - haben keine Hoffnung.
Ihr Leben umgibt Unsicherheit, die in Abenteuern und in tödlichen Unternehmungen,
durch welche man sich selbst bestätigen will, ihren Ausdruck findet; ein
Ausdruck ohne jeglichen transzendentalen Sinn. Zweitens haben sie das Gefühl
verloren, daß der Hof ihre Zuflucht ist und ein Ort sein kann, den man
liebt, woher einem Ruhe und Sicherheit kommen und ein Gefühl der Beständigkeit
ausgeht. Sie sind rastlos irrende Abenteurer und Vagabunden. Das Leben
als Geächteter löst jede Bindung und macht sie völlig unbeständig. Würden
sie aber irgendwo vor Anker gehen und einen Ort liebgewinnen, so wäre das
Selbstaufgabe bedeuten, sie wären am Ende. Drittens: Da sie keine Wurzeln
haben, geraten solche jungen Feinde der Gesellschaft in Umstände, die sich
vom verlorenen Zuhause völlig unterscheiden, in ein Leben der momentanen
Gelegenheiten und der Unsicherheit, ein Leben auf Widerruf. Ihr Nomadendasein
hat zur Folge, daß sie verwirrt nach Gelegenheiten zur Befriedigung ihrer
Gefühle suchen, für die sie keine solide Gemütsverfassung mehr besitzen.
Hier liegt auch der Schlüssel zur Erklärung ihrer sexuellen Ängste und
der pathologischen Häufigkeit ihrer abwegigen Untaten. Gewöhnlich hat Liebe
keine andere Bedeutung für sie als Notzucht oder gelegentliches Konkubinat...
Wenn sie annehmen, das Mädchen wolle sie aus irgendeinem Grunde verlassen,
dann töten sie es. Viertens verlieren sie das Gefühl für den Pfad
als das integrierende Element bäuerlichen Daseins. Die Hochlandbewohner
hängen an den Fußpfaden, auf denen sie ihre unzähligen Lasten tragen, bis
solch ein Weg in gewissem Sinn zum teuer vertrauten Besitztum wird; eine
Art Liebe veranlaßt sie, immer wieder denselben Pfad zu benutzen. Der antisoziale
Bandit unserer Tage weicht vom bekannten Fußweg ab, denn entweder verfolgen
ihn Soldaten, oder die Taktik der Guerrilleros zwingt ihn, Stellen für
einen unerwarteten Hinterhalt oder Schleichwege zum überraschenden Angriff
zu suchen. - (
hob
)
Gewalt (4) Weise ausgeübte Gewalt macht die Untertanen des sittlich und
religiös Guten, der weltlichen Vorteile (des Nützlichen) und des sinnlich
Angenehmen teilhaftig. Schlecht ausgeübt, sei's aus Gier, Zorn oder
Verachtung, erzürnt Gewalt sogar Waldeinsiedler und Wanderasketen, um
wieviel mehr Hausväter. Wird keine Gewalt ausgeübt, so führt das zur
Anarchie der Fische. Fehlt ein Inhaber von Gewalt, verzehrt nämlich der
Stärkere den Schwachen. Von Gewalt behütet gedeiht der Schwache. -
Arthasâstra
des Kautilîya
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