esundheit  Gleich nach dem essen hab ich mich hieher gesetzt, umb wieder zu schreiben, bin aber gleich entschlafen und habe ein gut stündgen geschlafen. Wie ich erwacht, habe ich in mein cabinet gemüßt, wo ich gar eine nötige arbeyt verricht; es ist gar wohl abgangen. Ihr werdet gedenken, daß es etwas gar nötiges zu sagen ist; ich sage es Euch aber nur, weilen ich weiß, liebe Louise, daß Ihr Euch vor meine gesundheit interessiert und dies die prob ist, das sie gut ist. - Liselotte von der Pfalz, Briefe. Frankfurt am Main 1981 (it 428, zuerst ca. 1700)

Gesundheit (ewige) Erraten Sie, was das ist, meine liebe Tochter: es ist am schnellsten da und geht am langsamsten fort, es führt dicht an die Genesung heran und reißt sie wieder am weitesten weg, es bewirkt einen Zustand, in dem einem sehr wohl sein kann, verhindert aber, ihn zu genießen, es erweckt die schönsten Hoffnungen der Welt und zieht deren Erfüllung lange hinaus. Können Sie es raten? Geben Sie es auf? Es ist ein Rheumatismus.

Seit dreiundzwanzig Tagen bin ich daran erkrankt, vom vierzehnten an fieberfrei und ohne Schmerzen, und in diesem gesegneten Zustand, im Glauben, bald wieder gehen zu können, was alles ist, was ich mir sehnlichst wünsche, bin ich überall geschwollen, an den Füßen, den Beinen, den Schenkeln, den Armen, den Händen. Diese Schwellungen, die sich ›Weg der Genesung‹ nennen und es vielleicht auch wirklich sind, erregen meine Ungeduld anstatt - wäre ich ein guter Mensch — Ansporn zu sein, mich ihrer würdig zu erweisen. Aber ich glaube, jetzt ist es bald so weit. Bis in zwei Tagen werde ich gehen können. Larmechin gibt mir diese Hoffnung. ›O che spero!‹

Von allen Seiten erhalte ich Briefe, die mir zu meiner guten Gesundheit gratulieren. Ich habe mich einmal mit dem Pulver Herrn von Lormes purgiert, und es hat Wunder gewirkt; ich werde es wiederholen, denn es ist das wahre Heilmittel gegen alle diese Bresten. Wenn das Ganze vorüber sein wird, verspricht man mir ewige Gesundheit. So Gott will!   - (sev)

Gesundheit (3) „Weil das ganze Geheimnis der Gesundheit", sagte mein Vater, „unzweifelhaft in dem gehörigen Ringen zwisdien der radikalen Hitze und der radikalen Feuchtigkeit in uns besteht, so hätte die denkbar geringste Geschicklichkeit ausgereicht, diese zu erhalten, wenn es nicht die Schulgelehrten dadurch erschwert hätten, daß sie beständig (wie der berühmte Chemiker van Helmont bewiesen hat) die radikale Feuchtigkeit mit dem Talg und Fett des tierischen Körpers verwechselten.

Nun aber ist die radikale Feuchtigkeit nichts weniger als der Talg oder das Fett der Tiere, sondern eine ölige und balsamische Substanz; denn der Talg und das Fett wie auch der Schleim oder die wässerigen Teile sind kalt, während hingegen die öligen und balsamischen Teile lebendige Hitze und Geist haben, was die Bemerkung des Aristoteles erklärt: ,Quod omne animal post coitum est triste.'

Demnach ist es also gewiß, daß die radikale Hitze in der radikalen Feuchtigkeit lebt; ob aber auch vice versa, läßt sich bezweifeln. Wenn sich jedoch die eine verliert, verliert sich die andere ebenfalls, und alsdann zeigt sich entweder eine unnatürliche Hitze, die einen unnatürlichen Durst verursacht, oder eine unnatürliche Feuchtigkeit, woraus Wassersucht entsteht. Wenn man also nur einem heranwachsenden Kind begreiflich machen kann, daß es weder in Feuer noch in Wasser laufen soll, weil beides sein Untergang sein kann, so ist alles geschehen, was in dieser Hinsicht zu tun ist."  - (shan)

Gesundheit (4) Ein Briefträger ist in Lend suspendiert worden, der jahrelang alle Briefe, in welchen er traurige Nachrichten vermutete, und naturgemäß alle an ihn gekommenen Partezetteln nicht ausgetragen, sondern bei sich zuhause verbrannt hat. Die Post hat ihn schließlich in die Irrenanstalt Schernberg einweisen lassen, wo er in einer Briefträgeruniform umhergeht und fortwährend Briefe austrägt, die von der Irrenhausverwaltung in einen eigens dafür an einer der Irrenhausmauern angebrachten Briefkasten hineingeworfen werden und die an seine Mitpatienten adressiert sind. Der Briefträger habe schon gleich nach seiner Einweisung in die Irrenanstalt Schernberg um seine Briefträgeruniform ersucht, um nicht wahnsinnig werden zu müssen, wie es heißt. - Thomas Bernhard, Der Stimmenimitator,  nach (enc)

Gesundheit (5)en  nannte man kurze Trinksprüche in Versen, die bei Gelagen ausgebracht wurden und meist irgendeine obszöne oder laszive Pointe hatten.

Gewöhnlich galt die Gesundheit dem irdischen Paradies (vulva), das in den mannigfachsten Zweideutigkeiten und handgreiflichsten Bildern gepriesen wurde. Besonders die Engländer waren in diesem Punkte groß, denn sowohl die erste Gesundheit bei der Tafel, wenn die Frauen sich entfernt hatten, als ihr »standing Toast« war unter allerlei Namen eine derbe Zote, mit dem größten britischen Ernste vorgetragen: The star above the garter (der Stern über dem Strumpfband), The centre of attraction, Our finger's ring usw. Bei den Deutschen hatte sich indessen eine ganze Literatur in dieser Hinsicht gebildet, meist Zwei- und Vierzeiler, die auch in verschiedenen Drucken erschienen und von solcher Natur waren, wie Dreyers »Schöne Spielwerke beym Wein, Bischof und Krambambuli, 1763«, die der Hamburger Magistrat 1763 unter dem Geläute der Schandglocke verbrennen ließ. Es existiert eine ganze Reihe solcher Anthologien von »Gesundheiten«, die H.-G. VII, 697 ff., verzeichnet, und wir führen aus »Leberecht Weinholds Poetische Gesundheiten in fünf Abtheilungen. 4. u. viel vermehrte Aufl. 1753, 8°, 112 S.« zwei bezeichnende Beispiele unter vielen an:

»Alle Blumen sollen leben,
Wozu wir den Stengel geben.«

»Es lebe, die dereinst in meinen Armen lacht,
Die, was da kurz ist lang, was lang ist, kürzer  macht.«

 - (erot)

Gesundheit (6)  Was allgemein Gesundheit genannt wird, ist im Grunde nichts anderes als der augenblickliche, so und so beschaffene, in die Abstraktion transponierte Aspekt eines Krankheitszustands: ein bereits überwundener, erkannter, definierter, abgeschlossener, für den Allerwelrsge-brauch eliminierter und verallgemeinerter Spezialf all. So wie ein Wort erst in den Diktionär der Académie Française aufgenommen wird, wenn es längst abgenutzt und der Frische seines volkstümlichen Ursprungs, der Anmut seiner poetischen Bedeutung beraubt ist, oft mehr als fünfzig Jahre nachdem es geprägt wurde (die letzte Ausgabe des hochgelehrten Diktionärs stammt aus dem Jahre 1878), und wie die Definition, die man ihm dann unterlegt, das altersschwache Wort in einer vornehmen, falschen, willkürlichen Erstarrung aufbewahrt, einbalsamiert, in einer Pose, die es zu seiner Zeit, als es aktuell, lebendig und unmittelbar war, nie gekannt hat, genauso ist ein Gesundheitszustand, wenn er erst als öffentliche Angelegenheit anerkannt in den Besitz der Allgemeinheit übergegangen ist, nur noch das traurige Schattenbild einer altmodischen, lächerlichen, erstarrten Krankheit, ein herausgeputztes altes Weib, das sich in den Armen seiner Liebhaber gerade noch aufrecht hält und sie anlächelt mit falschen Zähnen. Ein Gemeinplatz, ein physiologisches Klischee, eine Sache des Todes. Vielleicht sogar der Tod selbst. - (mora)

Krankheit
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