Gesellschaftsschlaf  Auch mein altes Café sah geheimnisvolle Orgien: wenigstens bemerkte ich einmal, daß Stöße obszöner Bilder, Spiegel, Badewannen, Matratzen hineingeschafft wurden. Ich fragte den Wirt, was das zu bedeuten habe.

»Ach nichts! ein kleines Arrangement!« erwiderte er mit süßlichem Lächeln. Als ich abends nochmals vorüberging, waren die Läden geschlossen. Das war sonst nie der Fall gewesen. Ein Zettel, quer über die Tür geklebt, trug die Aufschrift: »Heute privat!« Tumult, einzelne Worte und ein fürchterliches Lachen drangen heraus. Ein paar in die Stadt geflohene Pfaffen plauderten Mysterien vom Tempel aus. Wie der Pöbel sie auffaßte, läßt sich denken. Die Organe der Fruchtbarkeit galten ihm nicht als Symbole geheimnisvoller Wonnen und Kräfte, sondern wurden plump als die Götter verehrt, von denen man jetzt alle Hilfe erwartete. Auch das größte aller Mysterien, das Geheimnis des Blutes, war verraten worden, und.'darauf steht der Wahnsinn. Es mag die Ursache mancher zerstörerischen Entfesselung der Triebe gewesen sein. Den vielen gefährlichen Tieren gegenüber war es selbstverständlich, daß man sich zum gegenseitigen Schütze zusammentat. Unter diesem Vorwande schlief man in den Zelten gruppenweise unter einer Decke. Der schöne Name für diesen Schutzbrauch war »Gesellschaftsschlaf«.    - Alfred Kubin, Die Andere Seite. München 1975 (zuerst 1909)

Gesellschaft Schlaf


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