eschmacksrichter   Petronius verbrachte seine Tage schlafend; nachts ging er seinen Pflichten und Vergnügungen nach. Hatte anderen ihre Tatkraft zum Ruf verhelfen, so war es bei ihm Tatenlosigkeit. Er galt auch nicht wie die meisten, die ihr Vermögen verbringen, als ein Schlemmer und Wüstling, sondern als ein Meister im Genießen. Je freier er sich in seiner Rede- und Lebensweise gehen ließ, um so erfreulicher wurde das als ungekünstelte Natürlichkeit empfunden. Als er dann aber Prokonsul von Bithynien und darauf Konsul wurde, zeigte er, daß er Energie hatte und Geschäften wohl gewachsen war. Später sank er in seine ausschweifende oder Ausschweifung heuchelnde Lebensweise zurück, und Nero nahm ihn in seinen engeren Freundeskreis auf, wo er das Amt eines Geschmacksrichters '" hatte. Nero hielt nur das für unterhaltend und genußreich, was Petronius ihm empfahl. Das machte Tigel-linus neidisch. Hier war ein Nebenbuhler, der ihm an Wissen um den Lebensgenuß überlegen war. Er suchte also auf Neros Grausamkeit, die stärkste unter all seinen Leidenschaften, einzuwirken und klagte Petronius wegen seiner Freundschaft mit Scaevinus an. Ein Sklave wurde durch Geld zu einer Anzeige veranlaßt, dem Petronius keine Gelegenheit zur Verteidigung gegeben und seine Dienerschaft zum größten Teile verhaftet.

Der Kaiser hatte sich gerade in diesen Tagen nach Kampanien begeben. Petronius reiste ihm bis Cumae nach und wurde dort angehalten. Den schrecklichen Zustand zwischen Furcht und Hoffnung hielt er nicht aus, wollte sein Leben aber auch nicht gar so hastig von sich werfen. Er öffnete sich die Adern, verband sie wieder, wenn es ihm einfiel, und öffnete sie von neuem. Dabei unterhielt er sich mit seinen Freunden, aber nicht über ernste Dinge, oder in einer Weise, als suche er den Ruhm, wie ein Held gestorben zu sein. Er hörte auch zu, wenn die anderen sprachen, nicht etwa von der Unsterblichkeit der Seele und anderen philosophischen Fragen, sie sagten leichtfertige Gedichte und lockere Verse auf. Seine Sklaven beschenkte er zum Teil, andere ließ er peitschen. Dann ging er zur Tafel und legte sich schlafen. Sein Tod sollte zufällig erscheinen, nicht erzwungen, wie er doch war. Er sagte auch in seinem Testament Nero oder Tigellinus oder einem anderen der mächtigen Männer keine Schmeicheleien, was die meisten vor ihrem Tode zu tun pflegten. Nein, er machte ein Verzeichnis über Neros Laster, führte seine Buhlknaben und Dirnen namentlich auf, ebenso alle neuen Arten von Unzucht, die er erfunden hatte. Dies Schriftstück siegelte er zu und schickte es Nero. - (tac)

 

Geschmack Richter

 

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