eschlechterkampf Das Spiel trägt den Namen »Kampf der Geschlechter«. Zwei junge Eheleute werden sich am Morgen nicht einig, wo sie den Abend verbringen wollen. Sie will zum Rockkonzert des Jahres, er zum Fußballspiel des Jahres. Sie verlassen das Haus ohne Einigung, und die Umstände bringen es, daß sie für den Rest des Tages nicht mehr kommunizieren können. Eine Priorität ist ihnen gemeinsam, und sie wissen das voneinander: Sie möchten den Abend zusammen verbringen, wofür beide ihre persönlichen Präferenzen hintanzustellen bereit sind. Aber, so sagte schon Napoleon Bonaparte: »Nichts ist schwieriger und darum wertvoller als die Fähigkeit, zu entscheiden.«
Die Matrix mit den sogenannten Auszahlungswerten für beide, je nach Entscheidung:
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Die Frau geht zum |
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Fußball |
Konzert |
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Der Mann geht zum |
Fußball |
4/3 |
2/2 |
Konzert |
1/1 |
3/4 |
4, 3, 2 Punkte oder nur 1 Punkt ist ihnen der Abend wert, je nach Lage, in der sie sich wiederfinden: 4 Punkte der Abend mit Partnerin am Ort erster Wahl, 3 Punkte mit Partner am Ort zweiter Wahl, 2 Punkte ohne Partner am Ort erster Wahl, 1 Punkt ohne Partner am Ort zweiter Wahl. Das großzügigste und nobelste Verhalten beider, welches sie beide zum bevorzugten Ort des Partners bringt, führt offenkundig zum betrüblichsten Ergebnis. Die egoistische Alternative, daß beide ihren bevorzugten Anlaß aufsuchen, schneidet deutlich besser ab, mit doppelter Summe der gemeinsam erzielten Punkte (4 statt nur 2), kann aber nicht zufriedenstellen angesichts eines Punktetotals von 7 Punkten, das sie im Falle eines Zusammentreffens, sei es im Fußballstadion oder beim Konzert, erzielen würden. Weder die Goldene Regel noch der kategorische Imperativ oder sonst eine ethische Maxime können sie zusammenführen. Gibt es eine für beide einträglichere Möglichkeit des Verhaltens?
Es gibt sie, wenn den beiden der Zufall zu Hilfe
kommt: Sie müssen beide würfeln oder Lose ziehen, und die Spieltheorie errechnet,
daß sie beide im optimalen Fall mit einer Wahrscheinlichkeit von 5/8 zu ihrem
bevorzugten Anlaß gehen und mit 3/8 zum bevorzugten Anlaß des Partners. Dann
erzielen sie im Wiederholungsfall ein mittleres Punktetotal von 5 1/8 Punkten,
was freilich hinter dem Ideal von 7 Punkten zurückliegt. Aber gegenüber den
4 Punkten, die sie mit der zweitschlechtesten egoistischen Strategie erzielen,
ist es ein deutlicher Zugewinn. Wir sind also auf den Zufall - und Fortuna -
angewiesen, wenn wir uns erstens rational verhalten und zweitens kooperieren
wollen, was doch beides hie und da der Fall sein dürfte. - Georg Brunold, Fortuna
auf Triumphzug. Berlin 2011
Geschlechterkampf (2) Man stelle sich
eine Population fröhlicher Mäuse-Hermaphroditen
vor: Nehmen wir an, es kommt bei diesen Tieren zu einer Mutation, die alle männlichen
Gonaden vernichtet. Sie würde sich unweigerlich ausbreiten,
denn den Weibchen, die dieses Gen besitzen, geht es bestens: Es gibt doppelt
so viele Babys, denn in die Spermienproduktion
muß nicht mehr investiert werden. Bald wird die Population aus wenigen Hermaphroditen
und sehr vielen Weibchen bestehen, wobei die Weibchen das Gen tragen, welches
das männliche Geschlecht vernichtet. Nun könnte die Art zum ausgeglichenen Hermaphroditismus
zurückkehren, so wie das viele Pflanzen vor ihr getan haben. Genauso wahrscheinlich
aber wird etwas ganz anderes geschehen, bevor es zu einer Mutation kommen kann,
die in der Unterdrückung des betreffenden Gens endet. An diesem Punkt nämlich
ist Männlichkeit ein eher seltenes Gut geworden.
Die wenigen verbliebenen Hermaphroditen genießen einen ungeheuren Vorteil, denn
sie allein können die Spermien produzieren, auf die alle Weibchen nach wie vor
angewiesen sind. Je seltener sie werden, um so besser geht es ihnen. Schließlich
wird es sich nicht mehr lohnen, die Mutation zu beherbergen, mit der sich Männlichkeit
vernichten läßt. Eher ist das Umgekehrte der Fall: Für die Kern-Gene wäre die
vorteilhafteste Lösung in diesem Falle ein Gen, welches das weibliche Geschlecht
vernichtete und einen der Hermaphroditen in die Lage versetzte, seine Weiblichkeit
völlig aufzugeben und allen übrigen Artgenossen Spermien feilzubieten. Wenn
aber ein solches, gegen das weibliche Geschlecht gerichtetes Gen auf der Bildfläche
erscheint, dann verlieren alle übrigen Hermaphroditen ihren Vorteil, die weder
das Gen zuungunsten des männlichen noch das Gen zu Lasten des weiblichen Geschlechts
besitzen. Sie konkurrieren dann mit echten Männchen und echten Weibchen. Die
meisten verfügbaren Spermien aber besitzen gleichzeitig auch das Gen zuungunsten
des weiblichen Geschlechts, die meisten Eier hingegen, die zur Befruchtung zur
Verfügung stehen, tragen das Gen zu Lasten der Männlichkeit - die Nachkommen
werden also kontinuierlich gezwungen, sich zu spezialisieren. Die Geschlechter
haben sich getrennt. -
Matt Ridley, Eros und Evolution. Die Naturgeschichte der Sexualität. München
1995
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